Süß wie die Sünde: Roman (German Edition)
unauffällig aus seinem Zimmer zu stehlen. Vielmehr stürmte sie so schnell hinaus, wie sie konnte. Sie war bereits auf dem Korridor, da wurde sie sich ihres Fehlers bewusst. Es war reines Glück, dass sie keinem der anderen Gäste begegnete, doch sie blieb nicht stehen, um es auszukosten. Sie lief durch den Korridor und um die Ecke. Langsamer wurde sie erst, als sie Judes Tür nicht mehr sehen konnte.
Dieser Albtraum so gut wie vorbei, und auf dem Weg zurück zu ihrem Zimmer – gemessenen Schrittes und mit hoch erhobenem Haupt – redete sie sich energisch ein, dass das scheußliche Gefühl in ihrem Bauch Erleichterung war.
Was konnte es sonst sein?
Kapitel 13
I ch verstehe nur nicht, was er immer noch hier macht«, zischte Marissa, als sie die Stufen zu Framershams Eingang heraufstiegen.
Aidan sah sie verwundert an. »Er ist mein Gast, und solange ich hier bin, ist das wohl der Grund. Die Frage, meine liebe Schwester, ist wohl eher, warum dich seine Anwesenheit überhaupt kümmert. Jude bedeutet dir nichts, wie du sagst.«
Es war eine Woche her. Eine Woche voller schlechtem Gewissen und Unsicherheit.
Sie drehte sich um und erblickte Jude einige Meter hinter ihnen. Er geleitete Tante Ophelia die Stufen hinauf. Hinter ihnen folgten Cousin Harry mit Beth und Nanette, und vor ihnen hatte Edward bereits Mutter nach drinnen geführt.
»Er erinnert mich an etwas, das ich nie hätte tun dürfen, sonst nichts.«
»Tja, mich freut, dass du imstande bist, Reue zu empfinden, Marissa«, antwortete Aidan. »Ich war mir dessen nicht sicher. Und ich möchte dir sagen, wäre ich dein ältester Bruder, hätte ich dich übers Knie gelegt und dir den Hintern versohlt für das, was du getan hast.«
Heuchler, dachte Marissa trotzig, war aber zum Glück besonnen genug, es nicht auszusprechen. Aidan konnte blitzschnell aus der Haut fahren, und einen solchen Ausbruch wollte sie in der Öffentlichkeit lieber nicht riskieren. Wieder einmal trauerte sie um den Bruder, der er früher gewesen war. »Selbstverständlich empfinde ich Reue. Und ich wollte nie, dass irgendeiner von euch unter meinem Handeln zu leiden hat. Jetzt wünsche ich mir allerdings nur, dass diese Geschichte endlich vorbei ist, und Jude führt mir durch seine bloße Anwesenheit vor, dass sie es nicht ist.«
»Richtig, das ist sie nicht. Noch können wir nicht sagen, ob es kein weiteres Gerede geben wird, ebenso wie wir nicht wissen, was Peter White erzählt. Dass du dich nicht erleichtert fühlst, würde ich als Zeichen von Intelligenz deuten.«
»Verzeih, wenn ich nicht vor Dankbarkeit vergehe, weil du mir ein Mindestmaß an Klugheit zutraust.«
Sein Lachen war laut und harsch, aber zumindest war es ein Lachen, und als er Marissas Hand drückte, stellte sie fest, dass seine Miene weniger hart wirkte. »Da du in diese Familie geboren wurdest, waren dir ein oder zwei Skandale vorbestimmt. Hoffen wir, dass wir das Ärgste überstanden haben.«
Sie hätte ihn sehr gern umarmt, doch sie betraten gerade die Eingangsdiele, und so beließ Marissa es bei einem Lächeln. »Tanzt du heute Abend mit mir, Aidan?«
»Da ich schon mal hier bin« – er seufzte – »kann ich wohl genauso gut tanzen.«
»Wie galant.«
»Bin ich immer«, stimmte er ihr zu, drehte sich zu ihr und gab ihr einen Kuss auf die Wange, bevor er wegging. Marissa wusste, dass er sich mit ein paar Gläsern Brandy für den Abend stärken würde. Sie hingegen würde sich mit Tanzen stärken.
Eine Viertelstunde später hatte sie die Gastgeberin begrüßt und mit zwei Herren getanzt, die sie nicht kannte. Der Framersham-Ball war einer ihrer liebsten, denn hier wurden stets zu viele Leute eingeladen, und ein ganzes Bataillon von Dienern bot Champagner-Punsch an.
In dem Gedränge war es ein Leichtes, Jude und mit ihm die Erinnerung an die letzten zwei Wochen aus den Augen zu verlieren. Hier war sie wieder ganz die alte Marissa, und als ein schöner junger Mann um den nächsten Tanz bat, musste sie ihr Verzücken nicht spielen. Sie war ihm schon zwei Mal in London begegnet, und seine himmelblauen Augen und die glatten Wangen hatten einige ihrer Fantasien von Küssen und mehr beflügelt. Entsprechend war die Begeisterung, mit der sie sich von Mr Erickson in die Mitte der Tanzfläche führen ließ, nicht gekünstelt. Ein verbotenes Kribbeln durchfuhr sie, kaum dass er seine Hand auf ihren Rücken legte, als sie sich ausmalte, wie er seine Arme um sie schlang. Gütiger Himmel.
Als die Tanzschritte sie
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