Süß wie die Sünde: Roman (German Edition)
elegant gegähnt, war hinausgerauscht und hatte die Tür hinter sich geschlossen.
Marissa wusste, was sie plante. Ihre Mutter hatte ihr zuvor gesagt, dass eine Heirat unumgänglich und es folglich klug wäre, Jude von einem Sinneswandel abzuhalten. »Du weißt, was zu tun ist«, hatte sie geflüstert und Marissa auf den Schenkel geklopft. »Eindeutig.«
Ihre Mutter wollte, dass sie Jude verführte.
Zu schade, dass Jude offensichtlich nicht in der Stimmung war. Marissa blickte verstohlen zu ihm und stellte fest, dass er noch genauso dasaß wie vor fünf Minuten: die Beine übereinandergeschlagen, das Kinn auf die verschränkten Finger gestützt. Er starrte ins Kaminfeuer, als versetzte es ihn an einen anderen Ort. In der freien Hand hielt er einen Cognacschwenker, und an dem hatte sich immerhin etwas verändert: Vor fünf Minuten war das Glas noch voll gewesen, jetzt war es leer.
Ungeachtet dessen, was ihre Mutter glauben mochte, kannte Marissa sich mit Verführung nicht aus. Bisher war sie immer verführt worden, mithin beschränkten sich ihre Erfahrungen auf das Nachgeben.
Und so saß sie auf ihrem Stuhl, blickte ebenfalls ins Feuer und versuchte, sich ihre Zukunft vorzustellen. Doch die ließ sich unmöglich vorhersagen, solange die Gegenwart ein solches Durcheinander war.
Nach der letzten Woche wusste sie ebenso wenig, ob Jude sie überhaupt noch heiraten wollte, wie sie selbst sagen könnte, was sie wollte. Wollte sie ihn heiraten?
Bei dem Gedanken beschlich sie eine schauderhafte Unruhe, als legte sich eine Schlange um ihren Körper, und sie sprang auf, um das Gefühl abzuschütteln. »Noch Brandy?«, fragte sie, lief hinüber zum Tisch und holte die Karaffe.
»Ja, gern.«
Sein träges Lächeln blitzte für einen Moment auf, als sie sich zu ihm beugte und ihm einschenkte. Dann wich es wieder dieser neuen, grüblerischen Miene. Sie betrachtete seine Finger, die das Glas hielten, und ihr Herz krampfte sich zusammen. Jude sah sie nicht einmal an, also wie, in aller Welt, sollte sie ihn dazu bewegen, sie zu berühren?
»Haben Sie diese Woche irgendwelche interessanten Häuser angesehen?« Sie lief zum Tisch zurück und schenkte sich ebenfalls ein Glas ein. »Ich meine, als Sie nach einem Cottage suchten, das Sie mieten können.«
»Ja, vielleicht. Es gibt ein recht passables etwa eine Dreiviertelstunde von hier entfernt. Näher an Grantham?«
»Das ist eine bezaubernde Gegend. Sehr grün.«
»Ja.«
Und wieder schwiegen beide verlegen, nippten an ihrem Brandy und guckten in die Flammen.
Er bereute sein Angebot, sie zu heiraten, so viel war sicher.
Marissa wanderte im Salon auf und ab, trank von ihrem Brandy und tippte hier und da kleine Gegenstände an, als wäre sie entspannt. Unterdes flatterte ihr Herz vor Unsicherheit. Ihr Leben hing in der Schwebe, gefangen zwischen ihrer Vergangenheit und ihrer Zukunft, und sie wusste nicht einmal, ob sie noch eine Verbindung zum Boden hatte. Ihr Körper fühlte sich viel zu leicht an, ihre Gedanken drifteten zu weit weg.
»Was haben Sie, mon cœur?«
Marissa leerte ihr Glas und stellte es vorsichtig ab, ehe sie ihn ansah. Ausnahmsweise war sie zu müde, um witzig zu sein. »Ich glaube, dass man von mir erwartet, Sie zu verführen, doch scheinen Sie mir nicht in der Stimmung.«
Nun hob er den Kopf. Er zog beide Brauen hoch und richtete sich abrupt auf, sodass es einen dumpfen Knall gab. Vielleicht gefiel es ihm wirklich, wenn sie sich empörend benahm. »Oh, ich bin jederzeit in der Stimmung, mich verführen zu lassen«, erwiderte er. »Wer hat es vorgeschlagen? Ich muss demjenigen einen Toast aussprechen.«
»Meine Mutter.«
»Ah, na dann erwähne ich es lieber nicht. Aber ich sollte mich bemühen, meine künftige Schwiegermutter glücklich zu machen. Wie hat sie angeregt, dass Sie vorgehen sollten?«
»Oh! Sind Ihnen ihre Bemühungen, uns allein zu lassen, nicht aufgefallen? Sie fürchtet, dass Sie Ihr Angebot bereuen.« Marissa achtete darauf, unbeschwert zu klingen.
»Tut sie das? Und ihrer Meinung nach sollen Sie mich verführen, damit ich mich wohlgefällig zeige?«
»Eher, damit Sie Ihre Entscheidung als befriedigender empfinden.«
Nun verdunkelten sich seine Augen, und er schenkte ihr ein richtiges Lächeln. Marissas Herz hörte auf zu flattern und pochte schneller. Auf einmal hatte sie das Gefühl, sie könnte vielleicht doch die Verführerin spielen.
»Befriedigender?«, raunte er.
»Vielleicht.«
Sein Lächeln wurde breiter. »Kommen
Weitere Kostenlose Bücher