Süß wie die Sünde: Roman (German Edition)
schalt sie ihn. Dennoch hatte seine Ermunterung sie wieder einmal befreit. Ihre Wut fiel von ihr ab, als hätte sie tatsächlich um sich getreten und geschrien. Langsam ließ sie sich in einen Sessel sinken.
Jude schenkte ein Glas Sherry ein und legte ihre Finger darum.
»Danke. Ich kann nicht glauben, dass das geschieht. Schon wieder.«
Er setzte sich auf den anderen Sessel und überkreuzte die Beine, entspannt wie eh und je. »Möchten Sie mir erzählen, was passiert ist?«
»Mit den Männern?«
»Ja«, antwortete er lächelnd. »Mit den Männern.«
Sie schüttelte den Kopf, obwohl sie zu gerne darüber gesprochen hätte. Sie hatte es nie jemandem erzählt, und es war eine Tortur gewesen, alles für sich zu behalten. »Wären Sie nicht … eifersüchtig?«
»Haben Sie den Eindruck, dass ich zur Eifersucht neige?«
»Nein, habe ich nicht, und das ist noch so etwas, das ich an Ihnen nicht verstehe.«
»Es ist mein Bestreben, zu faszinieren. Also, die Männer.«
Die Männer. Das klang so schäbig. Oder verrucht. Oder zumindest ungezogen. Wie konnte Jude mit all dem Skandalösen umgehen, das er über sie erfuhr? Mit einem Seufzer gab sie jeden Widerstand auf. Sie wollte darüber reden, und das würde sie.
»Charles wusste, dass er eine andere heiraten musste.«
»Charles?«
Sie sah ihn verärgert an. »Ja, Charles LeMont. Den Teil haben Sie versäumt, als Sie sich von Ihrem Hustenanfall erholten.«
»Ah. Fahren Sie fort.«
»Seine Familie insistierte, dass er eine politisch günstige Verbindung einging. Wir glaubten, unsterblich ineinander verliebt zu sein, und es war alles sehr tragisch und romantisch.«
»Da haben Sie Ihrer beider Herzschmerz mit innigen Umarmungen gelindert?«
»Ungefähr, ja. Es war alles sehr unschuldig, sofern diese Dinge es sein können. Wir waren jung und wünschten uns nur einige heimliche Momente. Es war … schön.«
»Küsse und Ähnliches?«
Sie errötete. »Ja. Und dann heiratete er, und das war’s. Seit seiner Hochzeit hat er nie auch nur neckische Worte mit mir gewechselt. Daher kann ich mir nicht vorstellen, dass er solch einen Brief schicken würde.«
»Dann wäre da Fitzwilliam Hess. Ich brauche Sie nicht zu fragen, wie es dazu kam, dass Sie mit ihm allein waren.«
»Er ist recht charmant.«
»Ja, das hörte ich. Wie jeder. Er ist berüchtigt.«
»Aus gutem Grund«, entfuhr es ihr.
»Ah, vielleicht bin ich jetzt doch eifersüchtig. Sie wissen, dass Sie als anständige junge Dame berüchtigte Herren meiden sollten, nicht wahr?«
Sie dachte an Fitzwilliams Berührungen und errötete erneut, doch es hielt sie nicht davon ab, weiterzureden. »Er hätte mich entehren können, und er tat es nicht. Er hat … er hat dafür gesorgt, dass ich mich gut fühlte. Und verrucht. Und ich hätte es wieder getan, hätte ich die Gelegenheit gehabt.«
Sie hielt den Atem an und wartete auf seine Reaktion. Ihr hatte gefallen, was sie mit Fitzwilliam tat. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sich das Geplänkel mit einem Mann gefährlich angefühlt. Riskant. Als er ihre harmlosen Flirtversuche erwiderte, war da mehr als Bewunderung in seinen Augen gewesen; es war Berechnung, als wäre sie ein Code, den er entziffern wollte.
Sie hatte vorgegeben, es nicht zu bemerken, so wie sie vorgab, nicht zu ahnen, dass er sie beim Windsor-Ball viel zu weit in den Park führte.
Bei aller kunstfertigen Selbsttäuschung hatte sie indes sehr wohl begriffen, dass es kein anständiges Ende nehmen konnte, sich mit einem bekannten Lüstling ins Gewächshaus zu stehlen. Aber das hatte es. Jedenfalls anständig genug. Fitzwilliams Selbsterhaltungstrieb hatte sie beschützt. Er hatte nicht die Absicht, zu einer Heirat gezwungen zu werden.
Das erklärte er ihr, als er ihr bebende Küsse auf den Hals hauchte. »Keine Sorge«, flüsterte er. »Ich werde Sie nicht entehren.«
Das hatte er dennoch getan. Die Dinge, die er im Dunkeln mit ihr tat, die verborgenen Stellen, die er mit seinen Lippen berührte, die Berührungen, die er im Gegenzug einforderte …
Trotz seines Versprechens war Marissa hinterher ruiniert gewesen, weil sie mehr wollte: mehr Wonne, mehr Wissen. Doch sie war brav gewesen und hatte sich nicht mit einem anderen Herrn davongestohlen, obwohl sie so erpicht auf weitere Umarmungen gewesen war. Sie hatte nicht mal mit Fitzwilliam Hess getanzt, als sie ihm wieder begegnete.
Nein, sie hatte ihr geheimes Verlangen für sich behalten … bis zu jenem schicksalhaften Abend mit Peter
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