Süß wie die Sünde: Roman (German Edition)
verschwand. Ohne nachzudenken, folgte sie ihm.
Patience Wellingsly war eine zarte Schönheit mit tadellosen Manieren und wissenden Augen. Sie würde Jude niemals hässlich nennen oder ihn beleidigen, da sie ihn begehrte. Nein, sie war eine Frau, die wusste, wie man der Eitelkeit eines Mannes schmeichelte. Marissa verstand sich nicht auf die Fertigkeit, einem Mann das Gefühl zu geben, er wäre wichtig, maskulin und würde gebraucht. Sie konnte Lust in Männern wecken, aber was war mit Liebe? Die war eine ganz andere Sache.
Patience Wellingsly hingegen sah wie eine Märchenprinzessin aus, die gerettet werden musste, und Jude hatte ja bereits hinlänglich bewiesen, dass er ein tapferer Held sein konnte.
Marissa war übel vor Angst, als sie die Treppe hinauf und in den Südflügel lief.
Um andere Gäste musste sie sich keine Sorgen mehr machen, also stürmte sie geradewegs zu Judes Zimmer. In diesem Flügel wohnten nur noch Jude und Harry, was allerdings nicht bedeutete, dass die Bediensteten nicht reden könnten.
Als sie seine Tür erreichte, klopfte sie an, wartete jedoch nicht auf eine Antwort, sondern öffnete direkt die Tür.
Jude, der gerade seine Manschettenknöpfe löste, blickte auf. Seinen Reitrock und die Krawatte hatte er schon abgelegt. Nun stand er in Kniebundhose, Stiefeln und Hemd vor ihr. Er sah verwegen aus, und Marissa konnte nicht anders, als stehen zu bleiben und ihn zu mustern.
»Ihnen müssen die anderen männlichen Gäste fehlen, dass Sie mich beäugen.«
Aus Trotz sah sie noch etwas länger hin, ehe sie ins Zimmer trat und die Tür hinter sich zuschob. »Ich möchte wissen, was bei Mrs Wellingsly geschehen ist.«
»Ja, das wette ich.«
Sie reckte ihr Kinn höher. »Haben Sie sie gesehen?«
»Selbstverständlich.« Er legte den zweiten Manschettenknopf auf seine Kommode und zog das Hemd aus der Hose, was Marissa vorübergehend ablenkte.
»Und? Was hat sie gesagt?«
»Sie sagte, dass sie den Brief nicht geschrieben hat.«
Der Verrat fühlte sich wie ein Dolchstoß in ihrer Brust an. »Sie haben ihr die Wahrheit gesagt?«
»Nein.«
»Aber wie …«
Jude zog sein Hemd so schwungvoll über den Kopf ab, dass Marissa den Luftzug auf ihrem Gesicht spürte. Sein Duft wehte über sie hinweg: die Würze einer männlichen Seife, vermengt mit der Note von Schweiß und Pferd nach dem langen Ritt. »Ich erzählte ihr, dass ich einen verstörenden Brief erhalten hätte und wissen wollte, ob sie ihn geschickt hat. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen, Miss York, ich muss mich waschen.«
Miss York . Das tat erstaunlich weh.
Sie wurde weggeschickt. Er drehte sich zum Waschset um und goss Wasser aus dem Krug in die Schüssel. Es musste eiskalt sein, dennoch tunkte er einen Lappen ins Wasser und rieb einen Seifenball darin.
»Ich verstehe nicht, warum Sie ihr einfach glauben, nur weil sie sagt, sie war es nicht.«
»Weil wir noch über anderes sprachen, und ich hatte den Eindruck, dass sie in allem ehrlich war.«
Ihre Furcht wurde noch schlimmer, woran auch die Erregung nichts änderte, die sich nun dazugesellte, als sie Jude zusah, wie er mit dem Seifenlappen über Gesicht und Hals, dann die Brust und unter den Armen rieb. Beim Anblick des tropfenden Wassers presste Marissa unweigerlich die Schenkel fester zusammen.
Wie seltsam es zu beobachten war, dass Jude die gleichen Bewegungen vollführte wie sie, wenn sie sich wusch. Eine alltägliche Handlung, und doch faszinierte es sie, ihm zuzuschauen, wie er sich die breite Brust und die starken Arme seifte. Milchiges Waschwasser rann über seinen Bauch und verfing sich in der Haarlinie, die bis zu seinem Hosenbund reichte.
So nackt hatte sie ihn noch nie gesehen, und er sah sehr … anders aus. Sein Körper war breit, wo ihrer schmal war, flach, wo sie Kurven hatte. Sein Rücken formte ein verlockendes V, ehe er in die schmalen Hüften überging.
Marissa atmete schneller. Jude tauchte den Waschlappen wieder ein und wusch sich mit klarem Wasser ab. Ohne zu ihr zu sehen, griff er nach den Knöpfen seiner Hose. »Liebt sie Sie?«, platzte es aus Marissa heraus.
Er blickte zu ihr und ließ die Hände sinken. Zuerst glaubte sie, dass er verschämt wäre, aber dann setzte er sich in einen Sessel und begann, seine Stiefel auszuziehen. Es war also keine Scham, sondern er hatte die Stiefel vergessen.
»Wahrscheinlich nicht.«
Marissa ballte die Hände zu Fäusten. »Warum müssen Sie so furchtbar kurz angebunden sein? Was soll das überhaupt
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