Süß wie die Sünde: Roman (German Edition)
dem Ritt her war es feucht gewesen, was seine Laune um nichts gebessert hatte.
»Mr Bertrand«, sagte Patience Wellingsly und lächelte strahlend, als sie in den Salon kam. »Welche Freude.«
»Mrs Wellingsly.« Zwar verneigte er sich höflich, konnte allerdings nichts gegen den schroffen Klang seiner Stimme tun. Patience Wellingsly streckte beide Hände aus, als wollte sie die seinen ergreifen oder ihn gar umarmen; als sie aber sein Gesicht sah, ließ sie die Hände gleich wieder sinken und wurde ernst.
»Stimmt etwas nicht?«
»Es gibt eine delikate Angelegenheit, über die ich mit Ihnen sprechen möchte.«
Ein Blitzen ging durch ihre Augen, und ihre Lippen bogen sich schon zu einem Lächeln, ehe sie den Kopf schüttelte. »Ah, verstehe. Eine delikate, unangenehme Angelegenheit?«
»Dann wissen Sie, weshalb ich hier bin?«
»Ich habe keine Ahnung«, antwortete sie und setzte sich elegant auf einen Stuhl. Er hatte noch nie gesehen, dass sie etwas nicht mit vollkommener Grazie tat.
Jude nahm ihr gegenüber Platz und räusperte sich. »Auf dem Ball kürzlich hatte ich den Eindruck, dass Sie mir etwas gestehen wollten. Ist das richtig?«
Sie schluckte und versuchte, freundlich zu lächeln. »Ich kann mir nicht vorstellen, inwiefern das jetzt von Belang ist.«
Wie sollte er erkennen, ob sie etwas verbarg? Er kannte diese Frau ja kaum. Jude entschied, dass er nichts zu verlieren hatte, und wählte eine leicht abgeänderte Fassung der Wahrheit: »Ich erhielt einen verstörenden Brief, anonym, und frage mich, ob Sie ihn geschickt haben.«
»Ich?«, hauchte sie entgeistert. »Was für ein Brief?«
»Er … wurde in der Absicht geschrieben, meiner Beziehung mit Miss York zu schaden.«
»Und Sie glauben, das würde ich wollen?«
»Auf dem Ball deuteten Sie an … Gefühle für mich zu empfinden, falls ich mich nicht täusche.«
Sie blickte ihn an. Ihre Miene war starr, aber ihre Augen leuchteten wie Kerzen.
Auch wenn es ihm leidtat, ihren Schmerz zu sehen, musste Jude sie fragen: »Haben Sie den Brief geschickt?«
»Nein.« Sie wandte weder die Augen ab, noch zitterte sie vor Nervosität.
Jude nickte, sagte aber nichts, und wie er erwartet hatte, hielt sie das Schweigen nicht aus.
»Ich meinte … auf dem Ball meinte ich Sie. Aber es war nicht …« Jetzt war sie nervös, schluckte angestrengt und rang die Hände, bevor sie die Finger auf ihre Knie drückte. »Ich glaubte, in Sie verliebt zu sein.«
Auch wenn er hergekommen war, um eine Antwort auf diese Frage zu erhalten, schockierte sie ihn. Ja, sie erschütterte ihn sogar bis ins Mark. »Patience …«
»Nicht«, unterbrach sie ihn. »Nach unserer Unterhaltung begriff ich, dass meine Zuneigung unerwünscht und unerwidert ist. Ich bin einsam, Mr Bertrand, und Sie sind ein anziehender Mann. Etwas an Ihnen …«
Judes Haut fühlte sich viel zu heiß an. Er merkte, dass er errötete, konnte aber nichts dagegen tun.
»Etwas an Ihnen fasziniert mich. Ich begehrte Sie so sehr, dass ich mich mit Aidan York einließ. Ich fragte mich, ob ich Sie eifersüchtig machen könnte.«
Jude stand der Mund offen vor Staunen. Mit einem kleinen Lachen winkte sie ab. »Nicht, dass er kein reizvoller Begleiter wäre.«
»Ich weiß nicht … Es tut mir leid. Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
»Sie brauchen gar nichts zu sagen. Ich bin eine vierzigjährige Witwe, und ich mag immer noch ein albernes Ding sein, bin aber immerhin reif genug, um zu erkennen, dass ich albern bin. Und Sie hatten recht. Wenn ich mir wirklich Liebe wünsche, muss ich diese kindischen Turteleien lassen. Gewiss gibt es jemanden für mich. Vielleicht ein Mann, der schon Kinder hat und sich nicht an einer Frau stört, die ihm keine schenken kann.«
»Patience, Sie sind eine bezaubernde Frau, in die man sich leicht verlieben kann. Alles andere ist unerheblich. Ich würde Marissa nicht weniger lieben, könnte sie keine Kinder bekommen.«
»Würden Sie nicht?«
Jude wollte nicht über seine Gefühle für Marissa nachdenken, was er auch nicht musste, denn er kannte die Antwort. »Absolut nicht. Und wenn Sie sich deswegen geringschätzen, mindern Sie Ihren Wert grundlos, Madam.«
»Ach, ist schon gut«, sagte sie. Jude reichte ihr ein Taschentuch, als ihr Tränen über die Wangen liefen. »Es tut mir aufrichtig leid, dass ich Sie in solch eine unangenehme Lage bringe, Mr Bertrand. Ich verspreche Ihnen, dass ich Ihnen und Miss York das Beste wünsche.«
Er glaubte ihr. Vielleicht waren sie alle
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