Süß wie die Sünde: Roman (German Edition)
ein wenig erwärmt haben.«
»Sind sie schon draußen?«
»Die meisten, ja.«
Marissa reckte den Hals, um in den Korridor zu sehen. »Jude?«
Ihre Mutter winkte ungeduldig ab. »Ich weiß es nicht. Ich wünsche, dass du mit mir fährst. Es ist noch vieles für den zweiten Weihnachtstag zu planen. Ich weigere mich, den Chor vom letzten Jahr wieder zu nehmen. Bei Gott, die waren fürchterlich, nicht wahr?«
»Ihre Liederauswahl war ein wenig zu spirituell, Mutter, aber …«
»Entsetzlich! Dieses Jahr werden wir Maskenspieler haben. Ist das nicht entzückend? Und Feuerwerk! Ach, Marissa, es wird spektakulär!«
»Haben Sie mit Edward über Ihre Pläne geredet?«
Wieder winkte ihre Mutter ab. »Ach was. Solche Feste heben sein gesellschaftliches Ansehen.«
»Und leeren das Säckel.«
Ihre Mutter kicherte, als wäre es ein Scherz, und tatsächlich machte Marissa sich keine großen Sorgen. Sie wusste, dass Edward jährlich einen bestimmten Betrag für die Extravaganzen ihrer Mutter festsetzte. Gelegentlich mischte er sich ein, beispielsweise, als er die Floristen anwies, günstigere englische Rosen anstelle der französischen zu ordern, aber die französischen Namen zu verwenden. Ja, ihr Bruder verstand es, mit der verwitweten Baroness umzugehen.
Und Marissa konnte sich gar nicht um Edwards Auskommen sorgen, weil sie viel zu sehr damit beschäftigt war, über Judes nackten Körper nachzudenken und ob sie ihn jemals wiedersehen würde. Er war so wütend gewesen. Sie hatte gedacht, dass sie mit ihm in der Kutsche fahren könnte, wo sie so lange fragen könnte, bis er seine Gefühle enthüllte. Leider würde sie stattdessen mit ihrer Mutter fahren.
Sie biss die Zähne zusammen, und als ein Diener kam, sich verneigte und sagte, dass die Kutschen hinreichend gewärmt wären, wies Marissa zur Tür. »Nach Ihnen, Mutter.«
Sie folgte ihr zur ersten Kutsche, wobei es ihr gelang, einen Blick hineinzuwerfen, während ihrer Mutter in den Wagen geholfen wurde. Dort saß kein Jude, nur Harry, Edward und Tante Ophelia. Sie hatte schon einen Fuß auf die Stufe gesetzt, als sie sich wie erschrocken umdrehte und sagte: »Oh, verzeihen Sie, Mutter, aber mir fällt eben ein, dass ich dringend mit Aidan sprechen muss!«
»Aber, Marissa!«, rief ihre Mutter, doch Marissa lief bereits zur zweiten Kutsche. Ehe sie den Wagen erreichte, hörte sie ihre Mutter noch jammern: »Also, Baron York, dann musst du mir helfen, zu entscheiden.«
Armer Edward.
Doch nachdem ihr die Flucht gelungen war, konnte sie nicht allzu viel Mitgefühl aufbringen. Sie öffnete die Kutschentür und stieg hinein. Ihr Umhang schleifte hinter ihr, sodass sie ihn erst raffen musste, ehe sie sich auf den Sitz neben Aidan fallen ließ.
Ihr gegenüber saß Jude.
Marissa zügelte ihre Nervosität und sah ihm in die Augen. Ihre Wangen fühlten sich ein wenig warm an, allerdings glaubte sie, auch seine Wangen wären leicht gerötet, und das machte ihr Mut. Sie sah ihn fragend an, woraufhin Jude das Gesicht zur Seite wandte und vorgab, aus dem Fenster zu sehen.
»Guten Abend, liebe Schwester«, raunte Aidan. Sie blickte zu ihm und stellte fest, dass er halb auf der Bank lag und die Augen geschlossen hatte. Er sah wie ein echter Lebemann aus, die Arme überkreuzt und die Beine ausgestreckt, als wollte er vor den Feierlichkeiten noch ein Nickerchen machen.
»Ist es gestern spät geworden?«, fragte sie.
»Ich konnte nicht schlafen«, antwortete Aidan gähnend.
»Wie haben Sie geschlafen, Mr Bertrand?«
»Gut.«
»Ach ja? Ich selbst schlief leider auch unruhig. Meine Gedanken wollten einfach nicht aufhören, sich im Kreis zu drehen.«
»Ein Zeichen von schlechtem Gewissen?«, murmelte er.
Aidan lachte schnaubend. »Das ist gewöhnlich mein Problem. Vielleicht liegt es in der Familie. Fühlst du dich schuldig, weil du die ganze Grafschaft in dieses Drama verwickelt hast, Marissa?«
»Ich habe niemanden in etwas verwickelt! Und, nein, es war kein schlechtes Gewissen, sondern Wut auf Jude. Hast du gewusst, dass diese Frau gestand, sie hätte sich in ihn verlieben wollen?«
Aidan öffnete ein Auge. »Hat sie? Welch Perfidie! Ich wäre vorsichtig.«
»Aidan York!«, fuhr Marissa ihn an. »Jude ist mein Verlobter!«
Er schloss seine Augen wieder. »Ich dachte, du wolltest ihn los sein.«
»Ich …« Sie sah von ihrem Bruder zu Jude, entsetzt, weil Aidan es so herzlos ausdrückte. Judes Miene verfinsterte sich, als sie zögerte. »Das ist es nicht. Wir waren
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