Süß wie die Sünde: Roman (German Edition)
uns einig, die Verlobung nicht zu einer Farce zu machen.«
Ihr Bruder grummelte gelangweilt.
Jude bemühte sich abermals, Marissa nicht zu beachten, doch das erlaubte sie nicht. »Ich habe nur versucht, mit Ihnen zu sprechen. Könnten Sie mir bitte für wenige Momente Ihre Aufmerksamkeit schenken?«
»Ich eigne mich nicht für angenehmes Geplauder«, knurrte er.
»Na gut«, sagte Aidan, setzte sich auf und boxte an das Kutschendach. Der Wagen wurde sofort langsamer. »Eine Dreiviertelstunde mit euch beiden halte ich nicht aus. Vor lauter unausgesprochenen Vorwürfen kriegt man hier keine Luft mehr. Ich fahre oben weiter. Und benehmt euch.«
Mit diesen Worten sprang er aus der Kutsche, und Marissa blieb mit Jude allein zurück. Er starrte wütend die Tür an, die Aidan eben hinter sich zugeworfen hatte.
Die Anspannung zwischen ihnen ähnelte der Atmosphäre unmittelbar vor einem starken Gewitter. Langsam ruckelte die Kutsche wieder los.
»Warum sind Sie so grausam?«, fragte Marissa.
Er sah nicht einmal in ihre Richtung.
»Es tut mir leid, falls ich gestern Ihre Gefühle verletzt habe. Es ist nur … Ich verstehe es nicht.«
»Das machten Sie hinlänglich deutlich.«
»Was?«
»Dass Sie nicht verstehen, wie Patience sich zu mir hingezogen fühlen kann.«
Patience. O Gott, allein der Klang des Namens von seinen Lippen war wie unzählige Stiche auf ihrer Haut.
»Es ist nicht bloß sie. Ich habe gesehen, wie andere Damen Sie anschauen. Sie betrachten Sie, als … als wären Sie der Fang der Saison. Reich, adlig und …«
»Gut aussehend?«, ergänzte er voller Bitterkeit.
Ja , dachte sie. Sie sehen Sie an, als wären Sie gut aussehend, und das sind Sie nicht. Aber das konnte sie unmöglich aussprechen, nicht einmal, nachdem er es schon getan hatte. Sie halten mich für hässlich , würde er erwidern. Vor Kummer wurde ihr die Kehle eng.
»Sie verwirren mich sehr«, flüsterte sie.
Endlich sah er sie an, doch anstelle der Hitze, die sie erwartete, lag nichts als eisige Kälte in seinem Blick. »Ich werde Ihnen nicht meine Vorzüge aufzählen, als wollte ich um Ihre Zustimmung betteln. Ich bot Ihnen meinen Namen an, weil ich Sie mochte und hoffte, dieselbe Zuneigung in Ihnen wecken zu können.«
»Ich mag Sie ja! Das habe ich Ihnen schon gesagt.«
»Und dennoch zermartern Sie sich den Kopf, was andere Damen in mir sehen. Wollen Sie es wirklich wissen?«
»Ich … ich sehe, dass Sie ein anständiger Mann sind, Jude. Ich erkenne es durchaus.«
»Nur ist es nicht das, was sie von mir wollen«, murmelte er. »Den anderen Damen geht es nicht um mein Herz, süße Marissa. Sie wollen den Mann, meinen Körper, die Dinge, die ich für sie tun kann, und die Gefühle, die ich ihnen beschere. Ich bin groß und von niederer Herkunft. Jeder weiß, dass meine Mutter eine Dirne war, und sie wissen, dass ich in ihren Betten ein Tier bin.« Er machte eine Pause, was nichts anderes heißen konnte, als dass er auf eine Erwiderung von ihr wartete.
Marissa merkte, wie sich ihr Mund von selbst öffnete. Sie ermahnte sich, dass sie etwas sagen sollte, doch was?
»Ich genieße diese Art der Bewunderung schon eine ganze Weile. Ich finde sie sogar verständlich, so befremdlich sie Ihnen auch erscheinen mag. Und sie machte mir nichts aus, bis ich begriff, dass ich mehr als das von Ihnen wollte. Aber auch Sie sehen nur das in mir, nicht wahr? Einen großen, hässlichen Kerl, der Sie beglücken darf, ansonsten jedoch keinerlei Beachtung verdient.«
»Nein!«, rief sie. »Das ist nicht wahr!«
»Es ist wahr, auch wenn ich einsehe, dass Sie Ihre Oberflächlichkeit lieber nicht offen eingestehen möchten.«
Sie atmete so rasch ein, dass es in ihrer Brust schmerzte, als wäre die Luft viel zu eisig und würde ihr Blut zum Gefrieren bringen. »Aber ich sagte Ihnen … ich sagte, Sie wären mein Freund.«
Ruckartig bewegte er die Hand, wischte ihre Worte mit einer Geste weg.
»Jude, bitte, ich weiß, dass ich gestern etwas Furchtbares gesagt habe, aber doch bloß weil ich … weil ich verletzt war.«
Nun wünschte Marissa sich beinahe, er würde sie nicht ansehen. Ihr war nicht wohl dabei, dass er immer Dinge in ihr gesehen hatte, die kein anderer wahrnahm, und dass sie ihm gefielen. Er hatte sie geneckt, sie gelobt und mehr wissen wollen. Im Moment hingegen erkannte sie nichts als Verachtung in seinen Augen – und Schmerz.
»Vielleicht ist es morgen an mir, um Verzeihung zu bitten, weil ich Furchtbares sagte. Aber heute Abend
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