Süß wie die Sünde: Roman (German Edition)
verbreiten könnte.
»Edward nahm ihn beiseite, nachdem wir angekommen waren. LeMont schien überzeugend ahnungslos, bevor seine Frau angelaufen kam und nach unserem kranken Pferd fragte. Und er sieht wahrlich harmlos aus.«
Das stimmte, wie sogar Jude in all seiner Voreingenommenheit zugeben musste. Er mochte ein Schönling sein, besaß jedoch nicht die Spur von Verwegenheit, und er berührte Marissa ausschließlich nach den Regeln des Tanzes. Nicht dass Jude deshalb zufrieden wäre. Sie tanzte mit ihrem früheren Geliebten, wohl wissend, dass Jude sie sah und eifersüchtig würde. Nun blickte Marissa auch noch zu ihm, sah ihn direkt an, und da war kein Hauch von Schamesröte auf ihren Wangen.
Charles LeMont hatte ihre Schenkel gesehen. Das war mehr, als Jude von sich behaupten konnte.
Wütend auf sich selbst, ließ er Aidan wortlos stehen und ging Richtung Diele. Jude hatte Eifersucht noch nie für eine angemessene Reaktion auf irgendeine Situation gehalten. Vielmehr war sie eine sinnlose Regung, wie sie Männer ohne Stolz bewiesen. Entweder wurde man von einer Dame begehrt oder nicht. Entweder war sie treu oder nicht. Kein noch so angestrengtes Grübeln oder Wüten konnte daran etwas ändern.
Und trotzdem benahm er sich jetzt, als wäre Marissa ein Juwel, das ihm gehören könnte.
Eigentlich suchte er bloß etwas mehr Luft zum Atmen und vielleicht ein Glas Brandy, um seine Nerven zu beruhigen. Er war schon beinahe aus dem Saal, als ihm eine Frau in den Weg trat und Jude vor Schreck erstarrte.
»Guten Abend, Jude«, sagte sie sanft und lächelte.
»Corrine.« Vor lauter Schreck fiel ihm nichts anderes ein.
»Wie wunderbar, dich wiederzusehen.«
»Du bist zurück aus Jamaica.« Offensichtlich.
»Dort war es entsetzlich heiß. Ich habe keine Ahnung, wie meine Schwester es aushält.« Sie seufzte niedlich.
Einige Pulsschläge darauf hatte sich Judes Verstand wieder halbwegs sortiert. »Sind deine Schwester und ihre Familie wohlauf?«
Sie erzählte ein wenig von der Plantage, die sie besucht hatte, und von der Insel, während Jude sich bemühte, den Schock zu verarbeiten, seine frühere Geliebte bei einem Ball mitten auf dem Lande wiederzutreffen. Ihr schwarzes Haar und die braunen Augen sahen aus wie immer; ihr Teint allerdings war gebräunt von der Reise, und sie war dünner geworden.
»Wie ich höre, darf man gratulieren«, sagte sie und senkte kopfschüttelnd den Blick auf seine Brust. »Ich weiß nicht, warum es mich überrascht, aber das tut es.«
»Danke. Hast du noch nicht wieder geheiratet? Ich war mir beinahe sicher, dass du einen schneidigen Kapitän kennen lernen und mit ihm um die Welt segeln würdest.«
Sie lachte dasselbe rauchige Lachen, das ihn früher verlässlich in Erregung versetzt hatte. Objektiv betrachtet war sie eine durchschnittlich hübsche Frau, die ihr Leben allerdings mit solch einer Freude lebte, dass es jeden Mann verzauberte.
»Im Grunde wäre ein Kapitän der ideale Gemahl für mich, nur bin ich bisher keinem schneidigen begegnet. Die, die ich kennen lernte, fand ich eher mürrisch und zu ernst.«
»Das ist tragisch.«
»Einstweilen darfst du mich zu einem Tanz begleiten. Sollte deine Ehe glücklich werden, ist dies womöglich meine letzte Chance, in deinen Armen zu liegen. Meine Abreise nach Jamaica fand so eilig statt, dass vorher keine Gelegenheit dazu blieb. Es wäre ein Jammer, diese zu versäumen.«
Ihre Worte klangen nach einem Versprechen, dass es nicht bei dem Tanz bleiben müsste. Jude lächelte verlegen und wollte sich entschuldigen. Er war kein Mann, der sich von seiner Lust beherrschen ließ, und bei aller Unsicherheit, was seine Zukunft mit Marissa betraf, war er jetzt auch nicht in Versuchung geraten.
Dann jedoch, ehe er ein Wort gesagt hatte, erinnerte er sich an Marissas Blick, als sie mit ihrem früheren Liebhaber an ihm vorbeigetanzt war.
»Es ist mir eine Ehre«, hörte er sich sagen, verneigte sich und bot ihr seinen Arm an.
Dies hier war unter seiner Würde. Sogar sehr weit. Doch genau wie bei seinen neuerlichen Eifersuchtsanfällen konnte er die Galle im Mund zwar schmecken, sie aber nicht ausspucken.
Er würde mit Corrine tanzen, und sei es nur, um sich einreden zu können, dass er diese Schlacht noch nicht verloren hatte. Der Krieg indes war eine ganz andere Geschichte. Entweder würde Marissa ihr Leben weiterleben, oder sie heirateten, und er hätte eine Ehefrau, die glaubte, weit unter ihrem Stand geheiratet zu haben.
Es zu wissen
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