Süß wie die Sünde: Roman (German Edition)
war? Falls sie Unwohlsein vortäuschte, konnten sie gar nichts tun. Jude hatte die düstere Vorahnung, dass sie am Ende alle drei um die Ohnmächtige auf der Couch versammelt standen, ihr Luft zufächelten und ihr starken Tee holen ließen.
Bei dieser Vorstellung bildete sich ein heißer Klumpen in seinem Bauch, und der besserte sich nicht, als die strahlende Mrs LeMont in den Salon geschwebt kam. Elegant legte sie eine Hand auf ihren runden Bauch. »Meine Herren! Welche Freude, Sie so bald wiederzusehen.«
Sie war, wie Aidan gesagt hatte, eine hübsche Frau, vornehm und vor Gesundheit strotzend. Als Jude indes näher zu ihr trat, sah er, dass der Puder, der die Makellosigkeit ihrer Haut vervollkommnen sollte, die dunklen Augenringe nur mangelhaft überdeckte. Und obwohl sie strahlend lächelte, blitzten ihre Augen ein wenig zu sehr. Sie war nervös, was niemanden wunderte. Die Zofe war verschwunden, und jetzt war sie allein den Wölfen in ihrem Salon ausgeliefert. Jude konnte durchaus nachvollziehen, wieso die York-Brüder sich von ihrem runden Bauch verleiten ließen, sie für harmlos zu halten. Er lenkte doch sehr von allem anderen ab – noch dazu auf gewinnende Weise.
»Mein Ehemann ist heute Vormittag nicht hier, weil er das Abholzen eines Feldes beaufsichtigt, daher muss ich Ihnen bedauerlicherweise mitteilen, dass Sie ihn wieder nicht sprechen können. Gestern Abend haben Sie ihn aber doch getroffen, nicht wahr? Ja, selbstverständlich haben Sie. Jetzt erinnere ich mich wieder.«
»Haben wir«, sagte Edward.
»Geht es Ihrem Pferd immer noch nicht besser?«
»Mrs LeMont«, begann Edward in einem unmissverständlich strengen Tonfall, doch sie lächelte nach wie vor strahlend. Wüsste Jude die Wahrheit nicht längst, hätte er in diesem Moment Verdacht geschöpft. »Wir sind nicht hier, um über das Pferd zu sprechen.«
»Nein?« Die Silbe schwang am Ende nach oben wie ein auffliegender Vogel. »Ach, verzeihen Sie meine Unhöflichkeit, Gentlemen. Setzen wir uns, und ich schenke Ihnen Tee ein.«
Der Tee war gleich nach ihrer Ankunft gebracht worden, aber sie hatten sich nicht selbst bedient. Und auch Mrs LeMont machte keinerlei Anstalten, ihnen einzuschenken, nachdem sie sich gesetzt hatten.
»Mrs LeMont«, hob Edward erneut an, »wir haben mit Tess gesprochen.«
»Tess?«, fragte sie.
»Die Zofe.«
Sie schüttelte den Kopf, als wüsste sie nicht, von wem sie redeten.
»Das Mädchen, das Sie gestern Abend das Geld holen schickten. Mein Geld.«
»Was für eine amüsante Behauptung!«, flötete sie lächelnd.
»Mrs LeMont«, ermahnte Edward sie wenig hoffnungsvoll.
Jude reichte es. »Wir wissen, dass Sie hinter dem Drohbrief an Miss York stecken, also falls Sie einen Funken Anstand und Würde besitzen, beenden Sie dieses lächerliche Theater und sagen die Wahrheit. Das Spiel ist aus, Madam.«
Ihr Lächeln erstarb prompt. »Ich kenne Sie nicht.«
»Ich bin Miss Yorks Verlobter, und mehr brauchen Sie nicht zu wissen, möchte ich meinen. Ich betrachte Ihre Drohung gegen sie als persönlichen Affront, und deshalb bin ich hier. Ich will sicherstellen, dass die Sache ein Ende hat.«
Für einen Moment wurde ihr Gesicht starr vor Zorn, und sämtliche Farbe bündelte sich in dunkelroten Flecken über ihren Wangenknochen.
»Vielleicht sollten wir doch lieber mit Ihrem Gemahl sprechen«, murmelte Jude.
Wie erwartet, hatte er ihren wunden Punkt getroffen. Ihre Wut wandelte sich über einige lange Sekunden in blanke Angst. Der merkwürdige Glanz in ihren Augen entpuppte sich als unterdrückte Tränen. »Bitte nicht«, flüsterte sie.
»Madam«, sagte Edward und beugte sich ein wenig vor. »Sie müssen mit den abscheulichen Angriffen gegen meine Schwester aufhören. Ich weiß nicht, was Sie glauben, das sie Ihnen angetan hat.«
»Er liebt sie«, zischte sie. Ihre Worte erschreckten Jude, als hätte sie ihn soeben bloßgestellt.
Mehrere Herzschläge vergingen, ehe er begriff, dass sie nicht von ihm sprach.
»Er hat sie immer geliebt.«
Edward stutzte. »Ihr Ehemann?«
»Wenn er es erfährt, wird er mich hassen. Bitte …«
Edward reichte ihr ein Taschentuch, und Jude wurde es für einen Augenblick schwindlig. Die Regeln der Höflichkeit wollten nach wie vor beachtet werden, selbst wenn es sich bei der Dame um eine Erpresserin handelte. In den Kreisen seiner Mutter würde man die Dinge mit etwas mehr Ehrlichkeit angehen.
Jude unterbrach die rührende Szene, als Mrs LeMont sich die Tränen aus den
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