Süß wie die Sünde: Roman (German Edition)
wäre nie willentlich grausam zu einer Frau.
Der Sanftmütigste von ihnen dreien war natürlich Edward, der bereits im Begriff war, die Hand der Weinenden zu ergreifen. Er beherrschte sich jedoch noch rechtzeitig und lehnte sich zurück. »Nun gut«, sagte er. »Sie werden die Zuneigung Ihres Gemahls auf anderem Wege gewinnen müssen. Ich erzähle ihm nichts.«
»Ich danke Ihnen«, schluchzte sie und beugte sich vornüber, als müsste sie ihr ungeborenes Kind schützen. »Danke. Es tut mir leid. Ich … ich fürchte, ich bin ein bisschen verrückt geworden.«
Jude hatte Ähnliches von Freundinnen seiner Mutter über Damen gehört, die guter Hoffnung waren. Jene Frauen lachten später über ihre Launen und ihre Verstimmtheit; allerdings bezweifelte er, dass Mrs LeMont hierüber irgendwann lachen würde.
Aidan ging hinaus, und Edward folgte ihm. Jude zögerte noch.
Er wäre beinahe wortlos gegangen, aber dann sah sie fragend zu ihm auf.
»Ihr Ehemann«, sagte er behutsam, »hat gestern Abend mit Miss York getanzt. Und sie erzählte mir, dass sie ihn niemals glücklicher gesehen hätte.«
Sie zog die Brauen zusammen. »Ach ja?«
»Sie sagte, er hätte ausschließlich von Ihnen und dem Kind gesprochen.«
Ihr Stirnrunzeln verschwand, und ein Anflug von Hoffnung huschte über ihre Züge, also beließ Jude es dabei. Er verstand, was es hieß, jemanden zu lieben, der dieses Gefühl nicht erwidern konnte. Zwar hatte er sich nicht auf kriminelle Machenschaften verlegt, aber er hatte sich sehr wohl zum Narren gemacht.
Eigentlich sollten die Männer wenigstens ein bisschen zufrieden sein, als sie wieder auf ihre Pferde stiegen und nach Hause ritten. Immerhin hatten sie eine Katastrophe abgewendet, den Ruf der York-Familie gerettet und ihre fünftausend Pfund gespart. Trotzdem zogen alle drei lange Gesichter, als sie die Einfahrt des LeMont-Anwesens hinunterritten.
»Tja«, sagte Aidan, »es wird keinen Skandal geben, also werden wir wohl doch keine Brüder.«
»Gewiss bist du froh, dass meine Dienste nicht mehr vonnöten sind.«
»Jude, das habe ich nie gemeint. Ich empfinde größte Hochachtung vor dir, dass du angeboten hast, Marissa zu heiraten. Aber jetzt … sie erwidert deine Gefühle nun einmal nicht.«
Jude blickte zum Horizont und schwieg. Diesmal bedrängten die Brüder ihn nicht weiter. Von Liebe zu reden war eine Sache. Ein gebrochenes Herz indes ein ganz andere.
Kapitel 22
O bwohl ihr in der Kälte die Fingerspitzen gefroren, wanderte Marissa durch den Garten. Die Rosen wurden beschnitten, und sie wollte die Gärtner beaufsichtigen. Vor allem aber hielt sie es nicht aus, still zu sitzen und zu sticken, während sie auf Nachricht wartete.
Das unausgesetzte Geplapper ihrer Mutter tat ihren Nerven auch nicht gut, also ließ Marissa sie mit der tauben Tante Ophelia weitertratschen. Harry war schon längst zu einem Ausritt aufgebrochen.
Hier draußen konnte Marissa zumindest die klare, kühle Herbstluft atmen. Ihr blauer Umhang wurde vom Wind hin- und hergepeitscht, was ihrem dramatischen Naturell sehr entgegenkam. Sie würde noch Windbrand bekommen, wenn sie nicht aufpasste, denn ihre blasse Haut war empfindlich.
Sie wollte gerade ihre Kapuze hochziehen, als sie aus dem Augenwinkel einen Mann bemerkte.
Jude.
Er stand unter demselben Baum, unter dem sie gemeinsam gelegen hatten, und beobachtete sie. In diesem Moment empfand sie nichts als eine tiefe, dunkle Zufriedenheit, dass er sie ansah, als gehörte sie ihm. Dann erst wurde sie gewahr, was seine Anwesenheit bedeutete. Ihre Schritte wurden langsamer, als sie auf ihn zuging und er ihr bis zum Rand des Rosenbeetes entgegenkam, womit er den Aufschub verkürzte, den sie sich wünschte.
»Haben Sie mit ihr gesprochen?«, fragte sie.
Er bejahte wortlos.
»Und?«
»Sie war eifersüchtig auf Sie.«
»Was für ein Unsinn! Charles hat sie geheiratet.«
»Sie glaubt, dass er nach wie vor Sie liebt.«
Marissa gab nicht vor, von nichts zu wissen. Sie war sich sicher gewesen, dass er sie noch ein wenig liebte, als er sein Ehegelübde ablegte. Doch das tat er inzwischen schon lange nicht mehr. »Ich glaube nicht, dass das stimmt, Jude. Nicht mehr.«
»Das sagte ich ihr.«
»Und hat sie alles gestanden?«
»Ja. Unter der Bedingung, dass wir Charles nichts erzählen.«
Das gefiel Marissa nicht. »Er sollte wissen, was für eine Frau er geheiratet hat. Sie ist hinterhältig, intrigant und …«
»Sie liebt ihren Ehemann und erwartet sein Kind.«
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