Süße Fesseln der Liebe
genau sagen, wann sie das merkwürdige Prickeln in ihrem Nacken spürte; auf jeden Fall noch bevor sie den Eingang zum Green Park erreicht hatte. Sie hielt inne, bückte sich, um ihren Stiefel neu zu schnüren, während Lyra geduldig Platz nahm.
Sie schaute sich um, während sie sich mit ihrem Stiefel beschäftigte, konnte aber nichts Außergewöhnliches entdecken. Aber hatte Greville ihr nicht immer wieder erklärt, dass sie niemals etwas Verdächtiges sehen würde? Wenn sie tatsächlich observiert wurde, dann würde ihr Verfolger viel zu erfahren sein, um sich zu verraten.
Aber wie dem auch sei, dachte sie, ich kenne selbst ein paar Tricks. Sie richtete sich auf, wirbelte einmal im Kreis herum und hob begeistert die Hand, um jemanden hinter sich zu grüßen. Aurelia winkte heftiger, stellte sich auf Zehenspitzen, als wollte sie die Aufmerksamkeit eines Bekannten erregen, der sie noch nicht entdeckt hatte.
Und tatsächlich drehte sich ein Mann um und schaute hinter sich, ein Mann in einem gewöhnlichen, eher schäbigen Soldatenmantel mit einem Wollschal um den Hals und einem Hut mit breiter Krempe, den er tief in die Stirn gezogen hatte. Der Mann war wie viele andere auf der Straße, als er am Zaun des Parks entlangschlenderte. Aber niemand außer ihm hatte ihrem heftigen Winken Beachtung geschenkt.
Warum auch, wenn sich niemand für sie interessierte?
»Sieh an, sieh an, Lyra«, murmelte sie, »scheint so, als wären wir in Begleitung.« Sie beugte sich hinunter, als wollte sie das Halsband des Hundes in Ordnung bringen, und flüsterte: »Gibt Acht.« Die Ohren des Hundes zuckten, bevor er sich erhob und sich an Aurelias Beine schmiegte.
Zusammen mit Lyra spazierte sie in den Park, ohne sich noch einmal umzuschauen. Denn sie wusste, dass sich jemand an ihre Fersen geheftet hatte; es gab keinen Grund, sich die Gewissheit durch einen auffälligen Blick zu bestätigen. Sie entschied sich für einen verschlungenen Spazierweg, der zu einer Zisterne in der Ecke des Geländes führte, und schlenderte um den See herum. Rund um das Gewässer befand sich ein Gebüsch, und an einer Seite lag ein Dickicht, in dessen Mitte sich eine Blutbuche erhob.
Aurelia hatte es auf die Buche abgesehen, oder genauer, auf ein kleines Loch im Stamm, die beste Adresse für ungewöhnliche Briefe, die postlagernd zugestellt werden sollten. Aber sie schenkte dem Loch keinerlei Beachtung und setzte ihren Weg um den See in Richtung der Hütte des Parkwächters fort.
Lyra schmiegte sich immer noch eng an ihre Beine. Hin und wieder entstieg ihrer Kehle ein tiefes Brummen, was Aurelia zu verstehen gab, dass sie den Duft des Mannes witterte, der ihnen auf den Fersen war. Bestimmt war er inzwischen sehr nahe gekommen; aber sie unternahm keinen Versuch, ihren Verdacht zu überprüfen.
Ihr Verstand arbeitete auf Hochtouren. Natürlich konnte sie die Ausführung des Auftrags abbrechen. Niemand, am wenigsten Greville, würde ihr einen Vorwurf machen. Vorsicht war immer noch das oberste Gebot. Aber es fachte ihre Wut an, wenn sie daran dachte, gleich bei ihrem ersten Auftrag außer Haus aufgeben zu müssen. Sie war so enttäuscht wie vor ein paar Wochen auf dem Lande, als sie felsenfest davon überzeugt gewesen war, Greville abgehängt zu haben, während er am Gatter des Zaunes auf sie gewartet hatte.
Außerdem gab es eine Möglichkeit, den Verfolger abzuschütteln. Nachdem Aurelia die Hütte am Ende des Sees umrundet hatte, trat sie auf eine üppige Grasfläche, auf der eine Herde Kühe graste, die von ein paar Milchmädchen gehütet wurde. Kein Zweifel, dass sie einer durstigen Spaziergängerin einen Becher Milch frisch von der Kuh nicht verweigern würden.
Plötzlich musste Aurelia lächeln. Ihre Augen glitzerten verschmitzt. Lässig schlenderte sie über die Wiese, bahnte sich ihren Weg mitten durch die Herde, Lyra immer an ihrer Seite. Sanft wisperte sie dem Wolfshund ein paar Worte zu. Der Hund bog den Kopf zurück und heulte, stieß ein langes, trauriges Geheul aus, das jedem Menschen einen kalten Schauder über den Rücken gejagt hätte. In der Herde breitete sich Unruhe aus, die langsam in Panik überging.
Die Milchmädchen und der Hütejunge rannten zur Herde, um sie zu beruhigen. Lyra hörte nicht auf zu heulen, und die Kühe stoben auseinander, bockten und stießen sich gegenseitig mit den Hörnern.
Mit festem Griff packte Aurelia das Halsband des Hundes, eilte zwischen die warmen, schweren Flanken der Tiere und lief auf die andere
Weitere Kostenlose Bücher