Süße Fesseln der Liebe
Seite der Herde, die jetzt zwischen ihr und ihrem Verfolger stand, den Blick auf sie versperrte und jegliche Verfolgung unmöglich machte. Eine Menge hatte sich versammelt, um das Spektakel zu beobachten. Der Weg zurück zur Buche mit dem Loch im Stamm war frei.
Als sie sich wieder unter den Bäumen befand, blieb sie reglos stehen und erinnerte sich an Grevilles Worte: »Du darfst nichts überstürzen. Es kann sein, dass du glaubst, du hättest keine Zeit, innezuhalten, zu lauschen und dich umzusehen. Aber du hast die Zeit.«
Daher hielt sie inne, lauschte, schaute sich um - und hörte nichts als einen Singvogel, der den Frühling willkommen hieß, und das Rascheln eines Eichhörnchens im Laub unter den Bäumen. Es dauerte nur ein paar Sekunden, bis sie das Dokument im Stamm der Buche hatte verschwinden lassen, kunstvoll zugestopft mit einer Handvoll Moos. In weniger als drei Minuten befanden Aurelia und Lyra sich wieder auf dem Weg zum Ausgang, der zum Piccadilly führte.
Inzwischen war sie sich sicher, dass sie den Verfolger abgeschüttelt hatte. Weit und breit war kein Mann im Soldatenmantel zu sehen, und ihr sechster Sinn hatte sich nicht mehr gemeldet. Lyra spazierte neben ihr und zeigte ebenfalls keinerlei Anzeichen einer drohenden Gefahr. Aurelia hüpfte ein paar Schritte, lachte über ihren kindischen Freudenausbruch.
Greville erwartete sie bereits, als sie nach Hause kam, und trat gleich aus der Bibliothek, als er sie in der Halle hörte. Ein Blick genügte, und er wusste, was er wissen musste. Aurelia strahlte förmlich vor Zufriedenheit. Ihre braunen Augen glänzten, die Wangen waren gerötet, und ihr schmaler Körper bebte vor Kraft und Energie.
»Hattest du einen angenehmen Spaziergang, meine Liebe?«, fragte er lächelnd.
Aurelia hatte bemerkt, dass Jemmy sich in der Nähe aufhielt, und erwiderte spröde: »Ja, in der Tat, es ist wirklich ein wundervoller Vormittag. Es war zauberhaft im Green Park.«
Greville deutete auf die Bibliothek hinter sich. »Leistest du mir ein wenig Gesellschaft?«
»Natürlich.« Aurelia streifte sich die Handschuhe von den Fingern und folgte ihm in die Bibliothek, Lyra dicht bei Fuß. Sie schloss die Tür und schenkte Greville ein triumphierendes Lächeln. »Ich bin mir sicher, dass ich verfolgt wurde.«
Seine Miene verdüsterte sich. »Erzähl.«
Aurelia berichtete ihm in allen Einzelheiten, was sich abgespielt hatte, versuchte, die Geschichte nicht auszuschmücken. Aber sie schaffte es kaum, die Freude über ihre gelungene List zu verbergen. Als sie zu Ende erzählt hatte, schaute sie ihn erwartungsvoll an.
Greville stand mit dem Rücken zum Kamin, hatte die Hände lässig im Rücken verschränkt. »Das hast du sehr gut gemacht. Aber bitte erzähl mir noch mal genauer, was passiert ist, als du das Tor zum Green Park erreicht hast.«
Aurelia runzelte die Stirn. »Du glaubst mir nicht? Denkst du etwa, dass ich etwas übersehen habe?«
»Nicht unbedingt. Aber du bist verständlicherweise aufgeregt. Und deshalb möchte ich, dass du es mir alles noch einmal erzählst, Schritt für Schritt. Jetzt, wo dein Triumph nicht mehr ganz so frisch ist.«
Aurelia biss sich auf die Lippe, schluckte ihren Ärger über seine Bemerkung hinunter, die sie als Ermahnung empfand. Und als ungerecht. »Sehr gut.« Sie streckte die Hand aus, zog die Nadeln aus dem Hut und legte sie zusammen mit den Handschuhen und dem Muff vorsichtig auf der Konsole neben der Tür ab. Dann knöpfte sie ihren Umhang auf und ließ ihn offen, während sie langsam zum Sessel am Fenster spazierte, sich setzte und die Hände im Schoß faltete.
»Du willst also eine schlichte ungeschönte Geschichte hören.« Sie begann aufs Neue, und während sie erzählte, wurde ihr bewusst, dass Greville recht hatte. Es war nicht so, dass sie beim ersten Mal etwas übersehen hatte; aber es hätte durchaus sein können, dass ihr ein bedeutendes Detail entglitt, während sie in ihrem Triumphgefühl schwelgte und nur auf seine Bewunderung wartete. Im Grunde genommen hätte ich es wissen müssen, dachte sie selbstkritisch, dass es nicht zu Greville Falconer passte, sich in solchen Angelegenheiten bewundernd zu äußern. Denn der Greville Falconer, der als Colonel verdeckte Operationen in London durchführte, besaß kaum Ähnlichkeit mit dem Liebhaber Greville Falconer.
»Nun hast du alles gehört.« Schulterzuckend betrachtete sie ihn mit nüchternem Blick.
Er schien sie überhaupt nicht zu bemerken, als er nachdenklich auf
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