Süße Fesseln der Liebe
beobachtete er das spielende Kind und den Hund, schaute sich dann sorgsam um, bevor er sich bückte, einen Stock aufhob und ihn für Lyra warf. Er hatte die Augen überall, als er sich auf Franny zubewegte und den Mann auf dem Kiesweg neben dem Rasen bemerkte.
Ein großer, tadellos gekleideter Gentleman mit Bart. Die schwarzen Augen lagen tief in dem falkenartigen, gleichmäßig geformten Gesicht. Es dauerte nur einen Moment, dann verließ er den Schauplatz.
Greville stieß einen gellenden Pfiff aus. Sofort sprang Lyra zu Franny und wich nicht mehr von ihrer Seite.
»Ist es schon Zeit, zu gehen? Ich will aber noch nicht«, klagte Franny, als Greville bei ihr auftauchte.
»Es wird bald dunkel«, erklärte er und hatte nicht die Absicht, auf die Stimmung des Kindes Rücksicht zu nehmen. Er ließ die Leine wieder in Lyras Halsband schnappen. »Komm mit.« Gebieterisch streckte er dem Mädchen die Hand entgegen, die es zwar zögernd, aber ohne weiteren Protest ergriff.
Franny plapperte angeregt, als sie auf dem Weg nach Hause die Straße überquerten.
Schon früher hatte Greville festgestellt, dass Franny ohnehin ununterbrochen plapperte, auch wenn man ihr eine Antwort schuldig blieb. Sie feuerte ihre Fragen auf ihn ab, ohne dass sie sich für seine Antworten zu interessieren schien, und überließ ihn seinen Gedanken.
Es war gewiss kein Zufall, dass Vasquez das Mädchen beobachtet hatte.
18
Aurelia war gerade nach Hause gekommen, als Greville mit Franny und Lyra zurückkehrte. »Oh, da bist du ja. Daisy meinte, ihr seid im Park gewesen.« Sie lächelte ihn fragend an, als sie sich zu Franny beugte und ihr einen Kuss auf die Wange drückte.
»Du hast versprochen, dass du mit Lyra und mir in den Park gehst«, stieß Franny vorwurfsvoll hervor.
Aurelia verzog das Gesicht. »Nicht heute, meine Liebe. Ich hatte versprochen, dass wir morgen im Park spazieren gehen.«
»Nun, ich wünschte, du hättest dich klarer ausgedrückt«, erwiderte Greville und löste die Leine des Hundes. »Du hättest uns eine veritable Szene erspart.«
»Was soll das heißen?«, entgegnete Aurelia verwirrt.
»Das werden wir später besprechen«, wehrte Greville ab und wandte sich in Richtung Salon.
»Lass uns zu Daisy hochgehen.« Aurelia nahm ihre Tochter bei der Hand. »Dann kannst du mir erzählen, welcher Teufel dich vorhin geritten hat.«
Eine halbe Stunde später kam Aurelia die Treppe herunter und hatte sich die ganze Geschichte von Daisy erzählen lassen. Greville hatte sich in den Salon zurückgezogen, nippte an einem Madeira und las die Gazette . »Es tut mir sehr leid, dass du in einen von Frannys Wutanfällen geraten bist«, entschuldigte sie sich und schenkte sich selbst ein Glas Sherry ein. »Ich bin überzeugt, dass sie irgendwann aus diesem Alter raus sein wird. Aber hin und wieder kommt es noch vor, dass sie sich unangemessen benimmt.«
»Ich gestehe, dass ich mit meinem Latein ziemlich am Ende war«, erwiderte er und legte die Zeitung beiseite.
»Daisy ist anderer Meinung. Wenn man ihrer Geschichte zuhört, könnte man glauben, du wärst ein Held, der den schier unbesiegbaren Drachen aus dem Feld geschlagen hat.« Aurelia setzte sich in die Sofaecke. »Es war genau richtig, dass du den Schauplatz mit Franny und Lyra verlassen hast. Hast du eigentlich Erfahrung mit kleinen Kindern?«
»Nein, überhaupt nicht.«
Überrascht neigte Aurelia den Kopf. »Dann bist du ein Naturtalent.« Sie hielt inne, und als er nicht antwortete, fuhr sie fort: »Natürlich warst du ein Einzelkind.«
»Ja«, bestätigte er.
Aurelia beschloss, diesmal auf einer Antwort zu beharren. »Manchmal mache ich mir Sorgen um Franny, weil sie auch Einzelkind ist. Glaubst du, sie hätte gern Geschwister?«
Greville zuckte die Schultern. »Aurelia, ich habe nicht die geringste Ahnung. Ich kann ihr keine schenken, und ich glaube auch nicht, dass ich jemals auch nur einen Gedanken daran verschwendet habe.«
»Aber Franny hat natürlich Stevie und Susannah.« Aurelia nippte an ihrem Sherry. »Obwohl ich nicht weiß, wie es weitergehen soll, wenn Stevie ins Internat kommt. Sie wird ihn schmerzlich vermissen.«
Greville griff wieder nach der Zeitung, als würde ihn die Unterhaltung nicht im Geringsten interessieren. So reagierte er jedes Mal, wenn sie sich über Familiendinge unterhalten wollte; er gab distanziert, aber höflich zu verstehen, dass er sich unendlich langweilte. Zum ersten Mal entdeckte Aurelia, dass sie nicht die Absicht hatte, es
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