Süße Fesseln der Liebe
wo sie sich ans Fenster setzte und Fredericks Brief las … wieder und wieder.
6
Den Rest des Vormittags zerbrach Aurelia sich den Kopf über den Vorschlag des Colonels. Was genau war mit dem romantischen Interesse zwischen ihr und ihm gemeint? War sie in der Lage, ihre Rolle so überzeugend auszufüllen, dass sie ihre Freundinnen täuschen konnte - ganz besonders Nell mit ihrem scharfen Blick? Schließlich mussten der Colonel und sie den Anschein erwecken, eine vertrauliche Beziehung zu entwickeln, mehr und mehr Zuneigung füreinander zu empfinden. Dabei war sie sich noch nicht einmal sicher, ob sie sich noch daran erinnern konnte, wie es sich mit Frederick angefühlt hatte. Denn Frederick und sie hatten sich gekannt, solange sie zurückdenken konnte, und sie konnte den Zeitpunkt nicht genau festmachen, wann ihre enge Freundschaft sich in Liebe verwandelt hatte.
Um nichts in der Welt war sie in der Lage, zu sagen, was sie für Greville empfand … So jedenfalls würde sie ihn nennen müssen, wenn sie seinen Vorschlag annahm. In ihre Haltung ihm gegenüber mischte sich die Wut über Frederick und das Gefühl, zutiefst verletzt worden zu sein. Aber war es richtig, allein Greville die Schuld zu geben? Schließlich hatte Frederick selbst entscheiden können; er war nicht die Marionette irgendeines anderen Mannes gewesen. Wenn sie ihre Situation richtig einschätzte, musste sie einen Weg finden, das Andenken an ihren verstorbenen Ehemann zu pflegen, ohne gleichzeitig an Greville zu denken.
Erschrocken ließ Aurelia die Sticknadel sinken, als Morecombe die Tür zum Wohnraum öffnete. »Was ist los, Morecombe?«
»Lady Langton und ein paar andere Leute sind hier und wollen Sie sehen.«
»Oh … bitte führen Sie sie in den Salon.«
»Schon erledigt«, verkündete der ältliche Butler. »Keine Ahnung, was ich sonst noch mit ihnen anstellen soll.«
»Vielen Dank. Bitten Sie Hester, den Tee zu servieren.« Aurelia hob die Nadel auf und befestigte sie am Stickrahmen, bevor sie sich auf den Weg machte, ihren Besuch zu begrüßen.
»Cecily, wie schön, dich zu sehen.« Aurelia gelang ein warmherziges Lächeln, als sie mit ausgestreckten Händen den Salon betrat. Lächelnd verbeugte sie sich vor den drei anderen Ladys. »Bitte nehmen Sie Platz.«
»Nun, wir möchten dich wieder einmal um etwas bitten, meine Liebe.« Cecily lächelte entschuldigend und zog Aurelia zu sich auf das Sofa mit den vergoldeten Füßen. »Wir sind gewissermaßen auf Betteltour. Obwohl wir genau genommen eigentlich nur bei Liv betteln. Du musst die Vermittlerin spielen.«
»Ja, in der Tat, Lady Farnham«, verkündete Margery Allenton und platzierte ihre üppige Figur auf einen Sessel, »es geht um die Gründung des Hospitals in Battersea.«
»Margery hatte die wundervolle Idee, eine Blumenschau zu veranstalten«, fuhr Cecily fort. »Glaubst du, dass die liebe Livia und Prinz Prokov uns gestatten, ihr Gewächshaus zu benutzen? Es ist wirklich ein wundervolles Treibhaus und steckt voller interessanter Pflanzen. Wir bitten alle aus unseren Kreisen um Spenden für das Hospital.« Hellauf begeistert tätschelte sie Aurelia die Hand. »Was meinst du?«
»Ich bin mir sicher, dass Livia und Prinz Prokov glücklich sind, ihren Beitrag leisten zu dürfen«, erklärte Aurelia. »Prinz Prokov hegt ein lebhaftes Interesse an seinem Gewächshaus, sodass es ihm ein ganz besonderes Vergnügen sein wird, seine Freude daran durch den guten Zweck noch zu vergrößern. Noch heute Abend werde ich Livia schreiben … oh, vielen Dank, Hester.« Sie lächelte der Zofe zu, die das beladene Tablett auf dem niedrigen Tisch abstellte.
»Miss Mavis hat Gewürzkuchen gebacken, Ma'am, und außerdem gibt es Hefekuchen mit Zimt und Muskat.«
Der Hefekuchen war reichhaltig und schwer, wie man es im Norden Englands schätzte. Aurelia dachte, dass der Kuchen sicher nicht nach dem Geschmack ihrer Gäste war. »Der Gewürzkuchen ist genug, vielen Dank, Hester.« Sie schenkte Tee ein und ließ Hester die Tassen weiterreichen. »Möchten Sie ein Stück Kuchen, Lady Severn?«
»Nein, danke, Lady Farnham.« Die Lady beugte sich vor, sodass die verschwenderischen Straußenfedern an ihrem Hut wackelten. Verschwörerisch senkte sie die Stimme. »Die ganze Zeit über kleben mir die Gewürze an den Zähnen, und ich muss den Nachmittag damit verbringen, sie mit der Zunge zu entfernen, ohne dass es jemand merkt.«
Die Ladys murmelten verständnisvoll, als plötzlich Stimmen aus der
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