Süße Fesseln der Liebe
Aurelia und dachte an Fredericks Brief. Er hatte geschrieben, dass sein Leben oftmals von solchen Frauen gerettet worden war. Erst gestern hatten Cornelia und sie sich gefragt, ob sie für den erfolgreichen Ausgang des Krieges auch genug unternahmen. Hatte sie nicht die Pflicht, dem Colonel zuzusagen, wenn sie auf so einfache Weise helfen konnte, das Leben auch nur eines einzigen Menschen zu retten? Noch nicht einmal ihren Alltag musste sie ändern, wenn man von ihrem Schweigegelübde absah.
Aber sie hatte ohnehin schon versprechen müssen, die Wahrheit über Fredericks Tod bis in ihr eigenes Grab zu bewahren. Das neuerliche Versprechen betraf im Grunde genommen dasselbe Geheimnis. Und wenn Harry sie um Hilfe gebeten hätte, hätte sie ohne das geringste Zögern zugestimmt. Allerdings stand sie zu Harry vollkommen anders als zu Greville Falconer.
»Ein romantisches Interesse?«, hakte Aurelia nach und suchte seinen Blick. »Und wohin soll das führen?«
»Vielleicht zu einer Verlobung in einigen Wochen«, Greville erwiderte ihren starren Blick. »Die Verlobung würde uns dafür den Weg frei machen, Zeit miteinander zu verbringen.«
»Und wo soll das enden? Wie lange sollen wir dieses Theater spielen?«
»Nachdem ich die entscheidenden Stellen im spanischen Netzwerk identifiziert habe«, erklärte Greville, »kann ich unsere Leute hoffentlich innerhalb weniger Wochen einschleusen … bis zum Ende der Saison, wenn es irgendwie möglich ist.«
»Ungefähr drei Monate also«, rechnete Aurelia und biss sich unwillkürlich auf die Unterlippe.
»Es könnte länger dauern. Aber ich hoffe es nicht.«
»Und dann? Was passiert mit unserer erfundenen Verlobung?« »Wenn der Auftrag erledigt ist, werde ich ohnehin wieder auf den Kontinent geschickt.« Er zuckte die Schultern. »Sie können sich darauf verlassen, dass ich Ihnen einen treffenden Anlass verschaffen werde, die Verlobung aufzulösen. Wenn wir es zeitlich passend einrichten, können wir dafür sorgen, dass das Verlöbnis endet, wenn die meisten Leute die Stadt verlassen haben. Und wenn die Gesellschaft am Ende des Sommers zurückkehrt, wird die Geschichte beinahe schon vergessen sein. Ich werde die Stadt verlassen haben, und Sie werden Ihr gegenwärtiges Einkommen mit Fredericks Pension auffüllen können.«
Aurelia drehte sich wieder zum Fenster. Sie wollte nicht Grevilles durchdringenden Blick auf sich spüren, während sie über seinen Vorschlag nachdachte. Tatsächlich wäre nur eine kleine Pension nötig, damit sie in der Stadt ihren eigenen bescheidenen Haushalt führen konnte … Natürlich musste sie an der richtigen Stelle sparen … Aber war sie darin nicht geübt? Und wenn ihre Freundinnen sich wunderten, wie sie sich ihr unabhängiges Leben finanzieren konnte, dann konnte sie immer noch ausweichend andeuten, dass Markby sich entschlossen hatte, ihr einen größeren Anteil aus dem Fonds zu zahlen. Oder dass eine entfernte Verwandte ihr eine unverhoffte Erbschaft vermacht hatte. Ja, es wäre möglich.
Wieder einmal ging ihr durch den Kopf, dass sie auf Anhieb zugestimmt hätte, wenn die Frage von Harry gekommen wäre. Aber Harrys Anwesenheit jagte ihr auch nicht einen Schauder nach dem anderen über den Rücken, und es pulsierte ihr auch keine merkwürdige Energie durch die Adern, die keinerlei Grund zu haben schien. Unwillkürlich wurde ihr bewusst, wie gefährlich es war, den Colonel in ihrer Nähe zu wissen; aber sie konnte unmöglich abschätzen, wie sich diese Gefahr in Zukunft entwickeln würde. Ganz bestimmt barg die Arbeit, um die er sie bat, nur wenig unmittelbare Gefahr in sich. Um ihres Vaterlandes willen sollte sie seiner Anfrage zustimmen. Aber irgendetwas hielt sie zurück.
Schließlich drehte Aurelia sich um, sodass sie ihn anschauen konnte, legte sich einen Finger auf die Lippen und sagte: »Ich brauche Zeit. Zeit zum Nachdenken.«
In seinem Blick blitzte Enttäuschung auf, bevor er seinen Platz am Kamin verließ. »Selbstverständlich. Aber ich möchte Sie bitten, nicht zu lange zu zögern. Zeit ist entscheidend. Außerdem müssen wir ein paar Vorbereitungen treffen.« Er nahm seinen Hut aus dem Sessel nahe der Tür und verbeugte sich. »Ich wünsche Ihnen einen guten Morgen, Aurelia.«
»Guten Morgen.« Die Tür schloss sich hinter ihm, und sie lauschte auf das Geräusch der Eingangstür, um sicherzugehen, dass er das Haus verlassen hatte. Wenige Minuten später verließ sie das Frühstückszimmer und eilte in ihr Schlafzimmer,
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