Süße Fesseln der Liebe
wärmendes Feuer und ein würzig duftendes Dinner. Plötzlich fühlte sie sich wie vor den Kopf geschlagen, und das Herz hämmerte aufgeregt in ihrer Brust. Am anderen Ende der Hecke spazierte jemand auf der Weide herum. Sie blieb abrupt stehen. Die Schritte am Ende der Hecke ebenfalls.
Die Enttäuschung drohte sie zu überwältigen. Wie sehr hatte sie sich den Erfolg gewünscht! Wieder nahm sie ihren Weg auf; die Schritte setzten sich ebenfalls in Bewegung, fielen in ihr Tempo ein und wurden dann schneller. Am Ende der Weide stand wieder ein Zaun. Greville tauchte auf, stützte sich mit den Unterarmen auf den obersten Holm und begrüßte lächelnd ihre Ankunft.
»Gut gemacht«, lobte er.
»Es war überhaupt nicht gut«, widersprach sie, unfähig, ihren Ärger zu verbergen. »Sie haben mich trotz allem aufgespürt.«
»Ja, selbstverständlich.« Er bot ihr die Hand, um ihr über den Zaun zu helfen. »Was haben Sie erwartet?«
Greville klang unglaublich selbstsicher und so zufrieden, dass Aurelia ihm am liebsten eine Ohrfeige verpasst hätte. Sie schenkte seiner ausgestreckten Hand keinerlei Beachtung, überwand den Zaun ohne seine Hilfe und schwieg.
»Machen Sie sich keine Vorwürfe, Aurelia«, sagte er schließlich, nachdem eine Minute lang niemand gesprochen hatte. »Sie haben Ihre Sache sehr gut gemacht. Ich habe nicht bemerkt, dass Sie sich im Fuhrwagen versteckt haben. Geschlagene zehn Minuten habe ich das Dorf nach Ihnen abgesucht, bevor ich darauf gekommen bin, was Sie wohl angestellt haben.«
Aurelia suchte seinen Blick. »Wirklich?«
»Ja, wirklich.« Er nahm ihre Hand und schob sie unter seinen Arm. »Es war Ihr erster Unterricht im Freien, meine Liebe, und Sie haben mich sehr angenehm überrascht.«
Aurelia fühlte sich gleich besser, war aber mehr als erleichtert, als sie die Lichter des Farmhauses nicht weit entfernt erblickte. Sie betraten das Haus durch die Küche, und Mary, die einen Braten an der Stange über dem Rost drehte, schnalzte zur Begrüßung mit der Zunge.
»Master Greville, so spät dürfte Madam sich nicht draußen in der Kälte aufhalten. Die Nachtluft ist nicht gesund.«
»Ich hatte gar nicht vor, so lange draußen zu bleiben.« Greville lächelte entschuldigend. »Aber ich hatte nicht damit gerechnet, dass Lady Farnham mich so sehr überrascht, wie sie es getan hat.«
»Ich gehe nach oben und ziehe mich zum Dinner um«, kündigte Aurelia an, löste ihren Arm aus seinem und eilte zur Tür.
»Ist schon heißes Wasser oben, meine Liebe?« Mary kümmerte sich wieder um ihren Braten.
In ihrem Zimmer angekommen, schloss Aurelia hastig die Tür, lehnte sich mit dem Rücken dagegen und ließ den Tag an ihrem geistigen Auge vorüberziehen. Sie zog die Handschuhe aus und untersuchte ihre Hände, streckte und krümmte die Finger, erinnerte sich, wie sich die Pistole in ihrer Hand angefühlt hatte und wie es war, den Abzugshahn zu drücken. In Gedanken ging sie noch einmal Schritt für Schritt durch, wie man die abgefeuerte Waffe säuberte und nachlud; Greville hatte es ihr mit unendlicher Geduld erklärt.
Er ist ein guter Lehrer, schloss sie, warf die Handschuhe auf die Kommode und knöpfte sich den Umhang auf. Voller Geduld, allerdings auch ein wenig didaktisch. Die meiste Zeit strahlte er eine Selbstsicherheit aus, die sie regelrecht wütend machte. Aber dann schenkte er ihr wieder ein entwaffnendes Lächeln, und es sah aus, als wollte er sich über sich selbst lustig machen.
Außerdem … du lieber Himmel, sie konnte einfach nicht leugnen, wie attraktiv er war. Ebenso attraktiv wie faszinierend. Seit Frederick von ihr gegangen war, hatte es ein paar Männer gegeben, zu denen sie sich hingezogen gefühlt hatte, aber nicht so sehr, dass es sie aus der Bahn geworfen hätte. Es war angenehm gewesen, solange es gedauert hatte, und nicht besonders störend, als es zu Ende ging.
Doch diesmal schien es anders zu sein. Als ob es sich nicht nur an der Oberfläche abspielte. Aber was sollte es denn sonst sein?, mahnte Aurelia sich streng. Denn der Kuss gestern Abend hatte sich nicht wiederholt, es hatte keinerlei zufällige Berührungen gegeben, und alles, was sie unternahmen, hatte ausschließlich mit ihrer Arbeit zu tun. Sie mussten eine Aufgabe erledigen. Nicht mehr und nicht weniger.
Ja, sie fand ihn attraktiv. Und das war ein großes Glück, wenn sie bedachte, welche Rolle sie in dem Theaterstück übernommen hatte. Ohnehin war es leichter, ihre Freundinnen zu überzeugen, dass sie
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