Süße Fesseln der Liebe
bemerkte Lady Broughton zu ihrer Begleiterin, hob die Lorgnette und ließ den Blick durch das Empfangszimmer zu den Doppeltüren schweifen, wo sich eine kleine Gruppe Gäste versammelt hatte. Gerade eben hatte ihr Butler die Ankunft Lady Aurelia Farnhams in Begleitung von Viscount und Viscountess Bonham angekündigt.
»Alles in allem eine recht hübsche Frau«, murmelte Ihre Ladyschaft und beobachtete, wie ihr Neffe sich hastig den Weg zu den Neuankömmlingen bahnte.
»In der Tat, Agatha.« Ihre Begleitung nickte heftig. Als verarmte Cousine von Lady Broughton hatte sie es sich zum Prinzip gemacht, Agatha niemals zu widersprechen. Denn wenn die alte Dame jemanden in ihr Herz geschlossen hatte, konnte sie manchen Fehltritt großzügig verzeihen. »Recht hübsch.«
»Seltsam, dass es ihr vorher nicht gelungen ist, sich einen Ehemann zu angeln.« Agatha musterte Lady Farnham und Greville immer noch durch ihre Lorgnette. »Soweit ich weiß, hält sie sich schon seit einiger Zeit in der Stadt auf. Martha, seit wann ist sie verwitwet?«
»Ich glaube, seit vier Jahren. Der gute Greville hat mir berichtet, dass sie ihren Mann bei Trafalgar verloren hat.«
»Hm.« Lady Broughton ließ die Lorgnette sinken. »Ich wage die Vermutung, dass sie kein Vermögen besitzt. Alles andere an ihr ist untadelig. Angemessene Erziehung, keine abstoßende Erscheinung. Nach der Mode gekleidet, aber nicht auffällig. Wenn sie allerdings keine Aussichten hat …«
»Der gute Greville hat es nicht nötig, in ein Vermögen einzuheiraten, Agatha«, bemerkte ihre Cousine schüchtern.
»Vielleicht nicht. Aber wenn er sich endlich entschlossen hat, sich eine Frau zu nehmen und es nicht auf eine Liebesheirat abgesehen hat, warum sollte er dann nicht eine Frau mit Geld wählen? Es kann nie schaden, nicht wahr?«
»Nein, kann es nicht, da bin ich ganz sicher.« Die verarmte Cousine seufzte.
»Nun, Martha, du musst es ja wissen«, verkündete Agatha ein wenig herzlos. »Greville ist kein armer Mann. Aber genau wie jeder andere vernünftige Mensch sollte er danach streben, seine Lage zu verbessern.«
»Vielleicht ist es doch eine Liebesheirat, Agatha«, wagte Martha einzuwerfen, »schließlich liegt es erst vier Wochen zurück, dass er aus den Diensten der Armee zurückgekehrt ist. Vielleicht hat es ihn aus der Bahn geworfen.« Die Frau seufzte rührselig.
Agatha richtete die Lorgnette auf ihre Cousine und musterte sie mit größtem Erstaunen. » Greville ! Willst du ernsthaft behaupten, dass Greville sich von einer Frau aus der Bahn werfen ließe? Gute Güte, Martha, der Mann ist fünfunddreißig Jahre alt. Noch nie in seinem Leben hat ihm jemand den Kopf verdreht, geschweige denn das Herz gestohlen. Er hat nichts als seine Pflicht im Sinn. Bis jetzt fühlte er sich ausschließlich seinem Vaterland verpflichtet. Aber ich bin überzeugt, dass ihm langsam bewusst wird, auch Pflichten gegenüber der Familie zu haben. So hat er nachgedacht und beschlossen, dass die Rechnung mit dieser Lady Farnham wunderbar aufgehen wird. Sie wird seine Prioritäten nicht durcheinanderbringen.«
Agathas diamantener Ohrring schwang heftig hin und her, als sie den Kopf schüttelte. »Vertrau mir, Martha. Ich kenne meinen Neffen. Wenn er erst einmal einen Entschluss gefällt hat, verschwendet er keine Zeit mehr. Er hat beschlossen, auf diesem Besuch in der Heimat eine Frau zu finden, und wie üblich ist er schnell und erfolgreich zur Tat geschritten.«
»Ich bin überzeugt, dass du recht hast, Agatha.«
»Selbstverständlich habe ich recht. Mir ist zu Ohren gekommen, dass diese Frau ein Kind haben soll. Ein Mädchen.«
»Ich glaube, es stimmt.«
»Hm. Nun, wir dürfen sicher sein, dass er auch darüber gründlich nachgedacht hat. Die erwiesene Gebärfähigkeit ist ein größerer Trumpf als ein Vermögen. Denn er kann sich alle Hoffnungen darauf machen, dass sie ihm einen Erben schenken wird. Ich bin überzeugt, dass er die Vor-und Nachteile sorgsam abgewogen hat … Greville ist schließlich ein Ausbund an Gründlichkeit.«
Lady Broughton machte sich auf den Weg zu der Gruppe an der Tür. In dem anschmiegsamen Satinkleid mit purpurroten und türkisfarbenen Streifen, die ihre ausladenden Kurven vorteilhaft betonten, machte sie eine ausgezeichnete Figur; sie hatte die Broughton-Diamanten angelegt, den Hals in einem funkelnden Kragen verborgen, während lange Ohrringe an ebenso langen Ohrläppchen hingen. Eine Tiara befestigte den kleinen perlenbesetzten Schleier
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