Süße Herzensbrecherin
sich. Als ihn die Nachricht vom Tod seines Bruders erreicht hatte, er jedoch nicht in der Lage gewesen war, sein Regiment zu verlassen, hatte er Mark von Spanien aus gebeten, sich um Carlow Park zu kümmern, bis er nach England zurückkehren würde. Allerdings hatte er dem Cousin nicht gestattet, nach seinem Belieben zu verfahren. William spürte Unmut in sich aufsteigen. Wie konnte Mark so vermessen sein und einfach den Verkauf seiner Pferde arrangieren? Dabei handelte es sich bei Franciscan um den Hengst seines verstorbenen Bruders. Vielleicht steckt auch Lydia dahinter, ging es ihm durch den Kopf. Sie neigte dazu, ihrem Gemahl Vorschriften zu machen.
„Die Pferde stehen nicht zum Verkauf.“
Sir Charles’ Augen wurden schmal. So leicht würde er sich nicht aus dem Rennen werfen lassen. Er trat einen Schritt näher an William heran, damit man sie nicht belauschen konnte. „Was hältst du von einer Wette, William?“, fragte er listig.
Williams Miene blieb verschlossen, doch er hob eine Braue. „Eine Wette? Lass mich hören, was du vorzuschlagen hast, Charles.“
„Ich wette, dass es dir bis zum Saisonende im Juni nicht gelingt, die reizende Miss Cassandra Greenwood zu verführen.“
„Und aus welchem Grund sollte ich sie verführen?“
Der Freund zuckte mit den Schultern. „Um dir zu beweisen, dass du … dass du deine diesbezüglichen Qualitäten nicht eingebüßt hast.“
Die Herausforderung lockte ihn, und William war nahe daran, sie anzunehmen, obwohl die Verführung unberührter Mädchen nicht gerade zu seinen Stärken zählte. Andererseits hatte die entzückende Miss Greenwood seine Neugier erregt, und dieser Umstand verlieh der Wette einen besonderen Reiz. Außerdem gehörte er zu den Männern, die erobern und gewinnen mussten, wie gut oder schlecht die Chancen auch stehen mochten. Wann immer er sich etwas in den Kopf setzte – er neigte nicht dazu, rasch aufzugeben.
„Und wenn mir das Unterfangen misslingt?“
„Dann gehört mir eines deiner prachtvollen Pferde.“
„Was springt bei dem Ganzen für mich heraus – außer der reizenden Miss Greenwood natürlich?“
„Eintausend Guineen, wenn du gewinnst.“
William lächelte siegesgewiss. „Wie bedauerlich für dich. Ich sehe meine Gegner so ungern verlieren.“
„Du sprichst mir aus dem Herzen, mein Freund. Denk darüber nach: Eine Jungfrau zu verführen, die als unnahbar gilt und noch unberührt ist vom Zynismus der Welt – eine liebliche Rose, die darauf wartet, gepflückt zu werden –, was könnte mehr Prestige bringen?“
„Das frage ich mich auch.“
„Dann gilt die Wette. Wir brauchen unser Abkommen nicht schriftlich festzuhalten. Das Wort eines Gentleman sollte genügen.“
Als Sir Charles sich höchst zufrieden entfernt hatte, schweif te Williams Blick zurück zu Miss Greenwood. Sie ist also un berührbar, dachte er gut gelaunt. Mit einem Mal mutete sie ihm um ein Zehnfaches interessanter und rätselhafter an. Es galt, ein Mysterium zu ergründen – ein Unterfangen, vor dem die Gentlemen des haute ton zurückschreckten, zö gerten diese doch, sich ihr zu nähern und sich Freiheiten bei ihr herauszunehmen. Sie war zu einer Herausforderung avanciert, der er nicht zu widerstehen vermochte.
Wie gewandt sie im Umgang mit Menschen war, konnte er sehen. Ihr glockenklares, fröhliches Lachen drang an seine Ohren und erzeugte ihm ebenso wie ihr strahlendes Lächeln ein seltsames Gefühl in der Magengegend.
Miss Greenwood war ein höchst exquisites Exemplar ihrer Gattung, und trotz ihrer Stärke, die sie ihm gegenüber bereits unter Beweis gestellt hatte, wirkte sie zart und biegsam. William verließ die Nische und strebte entschlossen auf sie zu. Die Ballgäste wichen zur Seite, als habe er ihnen den Befehl dazu erteilt.
Cassandra dachte darüber nach, wen sie als Nächstes ansprechen sollte, als sie aufsah und entdeckte, dass Lord Carlow auf sie zukam. Dank seiner schlanken, hochgewachsenen Gestalt war er nicht zu übersehen. Wie sie es in Erinnerung hatte, bot er den Anblick eines über die Maßen selbstbewussten Aristokraten, dessen Autorität von dem Einfluss und der Überlegenheit zeugte, die ihm aufgrund seiner Geburt zuteilgeworden war. Beunruhigt stellte sie fest, dass seine blauen Augen amüsiert aufleuchteten, als ihre Blicke sich trafen. Und als er vor ihr stand, setzte er ein seltsames, unergründliches Lächeln auf.
Er neigte sich langsam zu ihr vor. „Guten Abend, Miss Greenwood“, sagte er mit
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