Süße Herzensbrecherin
diese Wette mit Sir Charles eingegangen war, und er stellte fest, dass er Gewissensbisse verspürte – ein Gefühl, das er nicht mehr kannte, seit er ein Kind gewesen war. William begann sein unbedachtes Verhalten zu bedauern, und er fragte sich, warum er nicht auf seinen gesunden Menschenverstand gehört und Charles’ Wette abgelehnt hatte. Es war ein unverzeihliches Ansinnen, eine junge Dame verführen zu wollen, von der er wusste, wie gütig, vertrauenswürdig und aufrichtig sie war, wie weise für ihr Alter und gleichzeitig naiv. Eine Frau wie sie verdiente es nicht, durch eine oberflächliche Tändelei entehrt zu werden.
Als die Kutsche vor seiner Stadtresidenz vorfuhr, stand sein Entschluss fest: Er würde Miss Greenwoods guten Ruf nicht in Gefahr bringen. Nicht einmal ihre verführerische Erscheinung würde ihn dazu bringen, seine Meinung zu ändern.
„Zur Hölle mit Grisham“, murmelte er, als er ausstieg. Er würde von der Wette zurücktreten und seinem Freund das verdammte Pferd überlassen.
Cassandra und ihre Mutter hatten die Abendmahlzeit beendet und sich in den Salon begeben, als eine Kutsche vor dem Haus vorfuhr. Sie erhoben sich vom Sofa, um nachzusehen, wer ihnen zu dieser ungewöhnlichen Stunde einen Besuch abstatten wollte, als eine völlig aufgelöste Lady Monkton in den Raum geeilt kam.
„Oh, meine Lieben, es ist etwas Schreckliches geschehen“, brachte Ihre Ladyschaft atemlos hervor und griff sich ans Herz, „etwas derart Schreckliches, dass ich nicht weiß, wie ich es euch beibringen soll.“
Ruhig ging Cassandra auf die Tante zu. „Komm, setz dich erst einmal, Tante Elizabeth“, sagte sie und nahm Lady Monktons Hand, „du bist ja ganz aufgeregt.“
Widerspruchslos ließ die Tante sich zu einem Sessel führen und nahm darauf Platz. Dann klappte sie mit einer fahrigen Bewegung ihren Elfenbeinfächer auf und begann sich heftig Luft zuzufächeln. „Was ich euch zu berichten habe, wird euch zutiefst schockieren. Ich weiß gar nicht, wie ich es euch beibringen soll.“
Cassandra konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass die schlechte Nachricht etwas mit ihrer Schwester zu tun hatte, und fragte freiheraus: „Es geht um Emma, habe ich recht? Klär uns rasch auf, Tante Elizabeth.“
„Es sind sehr schlechte Nachrichten, nicht wahr, Elizabeth?“ Das Schlimmste befürchtend, fasste Harriet sich an die Kehle und sank wieder auf das Sofa, das dem Sessel ihrer Cousine gegenüberstand.
„Sie ist … sie ist fort … weggelaufen … durchgebrannt … mit Edward Lampard“, jammerte Lady Monkton.
„Durchgebrannt?“ Sämtliche Farbe wich aus Harriets Wangen. „Gütiger Gott!“
Vor Zorn vermochte Cassandra zunächst keinen klaren Gedanken zu fassen; als sie jedoch die Mutter blass und mit vor Entsetzen geweiteten Augen dasitzen sah, nahm sie sich zusammen. Sie streckte beruhigend die Hand aus, und Mrs. Greenwood zog ihre Tochter zu sich aufs Sofa und wandte sich mit fragender Miene Elizabeth zu.
„Glaube mir, ich hatte keine Ahnung, dass sie so etwas tun würde!“, betonte Lady Monkton mit zittriger Stimme und tupfte sich mit einem Taschentuch die Augen trocken. „Es tut mir unendlich leid, und ich nehme alle Schuld auf mich. Schließlich habt ihr sie meiner Obhut anvertraut. Sie sagte, sie wolle ein paar Einkäufe erledigen und sei am frühen Nachmittag wieder daheim. Doch als ich von meinem Mittagsschlaf erwachte, war sie noch nicht zurück. Zunächst habe ich mir nichts dabei gedacht, und das Zimmermädchen fand ihre Nachricht leider erst vor einer Stunde. Oh, ich wusste, dass sie diesem jungen Mann zugetan war, der ihr so große Aufmerksamkeit schenkt – welche Achtzehnjährige wäre es nicht? Edward Lampard sieht gut aus und hat eine ansprechende Persönlichkeit. Er ist zudem ein Cousin ersten Grades von Lord Carlow, dessen Herkunft tadellos ist. Mutter wie Vater stammen von den altehrwürdigsten Familien des Landes ab.“
„Ja, Edward wäre ein passender Bewerber für Emma – nach ihrem Debüt“, fügte Mrs. Greenwood ruhig hinzu. „Indes nicht zu diesem frühen Zeitpunkt. Mir war es so wichtig, dass sie noch andere akzeptable Gentlemen trifft, bevor sie sich für einen Ehemann entscheidet. Oh, das dumme Mädchen. Weshalb konnte sie es nicht abwarten? Aber Geduld zählt nicht gerade zu ihren Stärken. Du trägst keine Schuld, Elizabeth.“
„Du bist zu gütig, Harriet, doch wie konnte das nur geschehen?“, erwiderte die Cousine niedergeschlagen. „All meine
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