Süße Herzensbrecherin
Hoffnungen, meine Pläne – und jetzt ist sie heimlich auf und davon.“ Lady Monkton schüttelte den Kopf. „Ich kann es nicht glauben.“
„Seit James tot ist, hast du dich um uns gekümmert und uns ermöglicht, unser Leben wie gewohnt fortzuführen. Dafür bin ich dir unendlich dankbar. Nein, Elizabeth, mach dir keine Vorwürfe, nur meiner törichten, sturen Tochter. Ich habe zu viel Zeit im Institut verbracht und nicht bemerkt, welches Unheil sich zusammenbraut.“
„Undankbares, dummes Ding“, versetzte Cassandra aufgebracht. „Wie oft habe ich ihr erklärt, dass ihr dreistes Gebaren nicht gut für sie ist. Ich wusste, was sie für Edward Lampard empfindet, und habe versucht, sie zur Vernunft zu bringen. Doch sie blieb störrisch. Allerdings hätte ich es mir niemals träumen lassen, dass sie mit ihm durchbrennen könnte.“
„Mary hat diesen Zettel auf dem Toilettentisch in ihrem Zimmer gefunden.“ Lady Monkton griff in ihr Retikül.
Cassandra nahm das zerknitterte Blatt Papier entgegen und überflog die eilig verfasste Botschaft. „Sie schreibt, dass sie London verlässt, um mit Sir Edward nach Schottland zu fahren, wo sie sich das Jawort geben wollen, und dass sie sich zu sehr lieben, um noch länger getrennt zu leben.“
„Also werden sie nach Gretna Green unterwegs sein“, schlussfolgerte Lady Monkton. „Das ist die erste Umspannstelle hinter der Grenze. Anders als in England ist die Eheschließung Minderjähriger ohne die Anwesenheit der Eltern in Schottland nicht verboten, und zurzeit scheint es in Mode zu sein und den romantischen Vorstellungen vieler junger Leute zu entsprechen, nach Gretna Green durchzubrennen.“
„Sir Edward muss alles arrangiert haben“, versetzte Cassandras Mutter nachdenklich. „Emma wüsste überhaupt nicht, was sie in einem solchen Fall unternehmen sollte. Lieber, gütiger Himmel, Cassandra! Was sollen wir nur tun? Wir müssen sie zurückholen, bevor es zu spät ist – bevor … bevor er …“ Sie brach ab und versuchte die Tränen zu unterdrücken, die ihr in die Augen stiegen.
„Es gibt nur eine Möglichkeit, Mama. Ich werde Lord Carlow aufsuchen. Wenn er inzwischen Bescheid weiß, befindet er sich vielleicht bereits auf dem Weg nach Schottland. Ich befürchte allerdings, dass er ahnungslos ist. Falls Seine Lordschaft beschließt, den beiden nachzureisen, werde ich ihn begleiten.“
Ihre Mutter zuckte zusammen. „Aber du kannst … du kannst doch nicht einfach einem Gentleman einen Besuch abstatten, Cassandra, und noch viel weniger kannst du dich ihm auf der Reise nach Schottland anschließen. Das verbiete ich dir.“
„Mama, wir haben keine Zeit, uns mit derlei trivialen Dingen abzugeben. In diesem Fall habe ich keine Skrupel, gegen die Etikette zu verstoßen. Emmas guter Ruf steht auf dem Spiel, daher darf nicht ein einziges Wort über diese An gelegenheit in die Öffentlichkeit dringen. Andernfalls wird das Mädchen sich nie wieder im ton zeigen können. Bitte macht euch keine Sorgen. Ich bringe Emma unbeschadet zurück.“
„Ich komme mit dir.“ Entschlossen wollte Lady Monkton sich aus ihrem Sessel erheben, und hielt mit schmerzverzerrter Miene auf halbem Weg inne. „Oh, Himmel.“ Mit auf den Bauch gepresster Hand ließ sie sich wieder zurücksinken. „Ich habe entsetzliche Magenschmerzen.“
„Bleib sitzen, Tante, und erhol dich.“ Cassandra steckte den Zettel in die Tasche ihres Kleides. „Ich werde dir Natronpulver und ein Glas Milch bringen lassen.“
Sie stand auf, um zu gehen, doch Mrs. Greenwood hielt sie am Ärmel fest. „Cassandra, wenn du mit Lord Carlow sprichst, hüte deine Zunge. Ich weiß, wie du sein kannst, wenn du wütend bist.“
Ihre Tochter seufzte. „Ich versuche es, auch wenn es mir schwerfällt. Bei diesem feinen Herren sehe ich einfach rot.“
Sie eilte aus dem Salon in ihr Schlafzimmer und sammelte ein paar Sachen zusammen, die sie für eine Reise brauchen würde. Nachdem sie ihre Tasche gepackt hatte, stieg sie in die Kutsche der Tante und ließ sich zum Grosvenor Square fahren.
Als Cassandra ausstieg, war sie so in Gedanken, dass sie kaum etwas von der prunkvollen Architektur der Carlowschen Stadtresidenz wahrnahm. Als sie jedoch die Eingangshalle betrat, kam sie nicht umhin, die verschwenderische Pracht des Interieurs zu bewundern, und während sie dem Butler folgte, sah sie sich staunend um.
William war übellaunig und nicht in der Stimmung, nachsichtig oder zuvorkommend zu sein. Es ging auf acht
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