Süße Herzensbrecherin
Sie sich von mir fern. Zukünftig werden wir uns nur noch förmlich, knapp und in der Öffentlichkeit begegnen. Angesichts Emmas und Edwards Hochzeit lässt es sich nicht vermeiden, dass wir uns sehen. In solchen Zeiten werden wir höflich und freundlich miteinander umgehen, wie es die Etikette vorschreibt. Aber das ist alles. Und nun, wenn Sie nichts dagegen haben, werde ich zu den anderen zurückkehren, bevor man mich vermisst und nach mir Ausschau hält. Es fehlte gerade noch, dass mich jemand allein mit Ihnen sieht. Auf einen weiteren Skandal kann ich verzichten.“
Erhobenen Hauptes machte sie wieder kehrt und strebte zur Tür. Dort angekommen wandte sie sich um und sah ihm fest in die Augen. „Ich mag es nicht, wenn man sich lustig macht über mich, und Sie scheinen Vergnügen daran zu haben, einen Menschen auf jede nur erdenkliche Art und Weise in Verlegenheit zu bringen. Ich hoffe inständig, dass Ihnen irgendwann einmal jemand begegnet, der Stärke beweist und sich gegen Sie durchsetzen kann.“ Sie warf den Kopf in den Nacken und entschwand in den Flur. William blieb in bedrückender Stille zurück.
Gequält von Schuldgefühlen und Selbstverachtung trat er an den Kamin und starrte in das knisternde Feuer. Das also war der Grund für ihr seltsames Benehmen. Darum hatte sie ihm immer wieder erklärt, sie wolle mit ihm nichts zu schaffen haben, obwohl er nach ihrem Kuss wusste, dass das nicht stimmte.
Gütiger Gott, er hatte sie schrecklich verletzt. Sie hasste ihn, und das aus gutem Grund. Allerdings schien sie seine Unterhaltung mit Sir Charles nicht bis zum Schluss belauscht zu haben. Wenn er ihr nun, da sie so aufgewühlt war, verkündete, er habe die Wette längst für beendet erklärt und die Abmachung ohnehin zu keiner Zeit wirklich ernst genommen, würde sie ihm nicht glauben. Er musste einen Weg finden, seinen Fehler wiedergutzumachen, doch ihm war auch klar, dass es nicht einfach würde.
Nachdem Cassandra sich im Damenzimmer gesammelt hatte, kehrte sie in den großen Salon zurück. Niemand sah ihr die Aufregung an, die ihr eben noch die Zornesröte in die Wangen getrieben hatte. William war ebenfalls wieder da und machte freundlich Konversation mit einem der Gäste. Ihr Blick fiel auf Lydia, die sich gerade mit Tante Elizabeth unterhielt, über deren Schulter jedoch zu William hinübersah. Der geradezu feindselige Ausdruck in ihren Augen ließ Cassandra aufmerken. Was mochte der Baroness wohl gerade durch den Kopf gehen? Nachdenklich trat sie zu einem der Lakaien, um sich ein Glas Champagner von dessen Tablett zu nehmen.
Endlich daheim, sank Cassandra auf ihr Bett und weinte. Obgleich sie immer auf der Hut gewesen war und sich dazu angehalten hatte, ihre Empfindungen für William nicht zu tief werden zu lassen, musste sie sich jetzt eingestehen, dass sie sich viel zu sehr zu ihm hingezogen fühlte. Wie zärtlich und leidenschaftlich er sie in die Arme genommen und geküsst hatte! Und welch geduldiger und aufmerksamer Zuhörer er gewesen war, wenn sie ihm ihre Sorgen bezüglich der Kinder mitgeteilt hatte. Damals hatte sie noch geglaubt, sie sei ihm nicht gleichgültig, doch wie sehr hatte sie sich geirrt! Er war ein Verführer, und deswegen musste sie ihn meiden, auch wenn es ihr das Herz brach.
Seit ihrem Auftritt bei Almack’s waren Emma und Edward die Lieblinge des Londoner ton. Die Klatschspalten der Zei tungen brachten unentwegt neue Spekulationen über die bevorstehenden Hochzeitsfeierlichkeiten. Hatte man die beiden jungen Leute zuvor grausam beschimpft, galten sie nun als vornehmes Paar, das sich aus tiefer Liebe zueinander das Jawort gab.
Lady Monkton indessen verschrieb sich ganz den Vorbereitungen für die Vermählung, worüber Mrs. Greenwood, die von morgens bis abends um den Erhalt des Instituts kämpfte, mehr als froh war. Emma zog nach Monkton House, damit ihre Tante sie mit den Abläufen der Trauungszeremonie vertraut machen und ihr dabei behilflich sein konnte, aus den vielen Einladungen, die ins Haus flatterten, die besten auszuwählen.
William ließ Lady Monkton freie Hand in der Gestaltung der Feier und sah davon ab, Anstandsbesuche zu machen. Cassandra war froh darüber, dass er im Hintergrund blieb, und hoffte, ihn so bald nicht wiederzusehen; allerdings musste sie erkennen, dass sie noch nie so unglücklich gewesen war wie in diesen Tagen. Zerstreuung fand sie bei der Arbeit im Institut oder wenn Verehrer, die sie bei Almack’s ermutigt hatte, zu Besuch kamen.
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