Süße Herzensbrecherin
Anblick tat ihr Herz einen Satz vor Freude. Er musste gespürt haben, dass sie zu ihm hinschaute, denn er wandte den Kopf in ihre Richtung und sah sie beunruhigend aufmerksam an. Während der Zeremonie suchte er immer wieder ihren Blick, doch Cassandra wagte es nicht, ihn zu erwidern, da sie befürchtete, er könne in ihren Augen lesen, was sie in Wirklichkeit für ihn empfand.
Es war ein stolzer Moment für Mrs. Greenwood, das frisch vermählte Paar, gefolgt von der Hochzeitsgesellschaft, aus der Kirche schreiten zu sehen, und genau wie Lady Monkton stiegen ihr Tränen der Rührung in die Augen.
Cassandra indessen war in einer seltsamen, fiebrigen Verfassung. Es machte sie ungeduldig, dass all die vielen Leute sie von William trennten. Als er in der Menge verschwunden war, sah sie sich suchend nach ihm um, doch so aufmerksam sie auch nach ihm Ausschau hielt – er tauchte erst viel später in Monkton House wieder auf.
Es war ein rauschendes Fest. William glänzte als aufmerksamer Gastgeber an der Seite Lady Monktons. Wie immer wusste er mit seiner charmanten und nonchalanten Art die Menschen für sich einzunehmen – insbesondere die Damen, die ihm schamlos schöne Augen machten, wie Cassandra zu ihrem großen Verdruss beobachten musste. Ihr dagegen schenkte er weder einen Blick noch ein Lächeln, geschweige denn, dass er ihre Gesellschaft gesucht hätte. Sie schien für ihn nicht zu existieren.
Ungeduldig wartete William darauf, dass sich die Hochzeitsgesellschaft in den Ballsaal begab. Bislang hatte sich nicht eine einzige Gelegenheit ergeben, ein Wort mit Cassandra zu wechseln. Er sah zu ihr hinüber und fand, dass sie eine bezaubernde Erscheinung abgab in ihrem roséfarbenen Kleid aus Atlasseide und mit den rosa und weißen Rosen im kunstvoll frisierten Haar.
Endlich führte Edward seine junge Frau in die Mitte der Tanzfläche und eröffnete mit ihr den Ball. Andere Paare gesellten sich zu ihnen. William beobachtete, dass auch Cassandra sogleich zum Tanz aufgefordert wurde, und kaum hatte ihr Tanzpartner sich nach dem Ende des Walzers von ihr verabschiedet, verbeugte sich bereits der nächste Verehrer vor ihr. Nach einem halben Dutzend Tänzen schien sie schließlich so erhitzt, dass sie sich eine Pause gönnen musste. Sie begab sich zum Buffet, und William beeilte sich, ihr dorthin zu folgen.
Cassandra wollte eben das Glas mit der erfrischenden Limonade an ihre Lippen führen, als ihr der vertraute würzige Duft von Williams Eau de Cologne in die Nase stieg. Mit wild klopfendem Herzen sah sie hoch und blickte ihm in die Augen.
„Tanz mit mir, Cassandra“, verlangte er, ohne sich mit irgendwelchen Höflichkeitsfloskeln aufzuhalten.
„Ich denke nicht, dass das klug wäre“, erwiderte sie leise.
„Haben wir je klug gehandelt, wenn es um uns ging? Komm, ich habe sämtliche Pflichttänze hinter mir – bis auf einen.“
„Welcher könnte das sein?“
„Der mit der Schwester der Braut. Du wirst mir hoffentlich keinen Korb geben. Oder haben wir uns so lange nicht gesehen, dass du mich nicht mehr kennst?“
Ihr Stolz verlangte, dass sie ihn hochmütig abwies, doch ihr Herz sagte etwas ganz anderes.
„Ich mag nicht dein bevorzugter Verehrer sein“, fuhr William fort, „aber ich bin fest entschlossen, mit dir zu tanzen. Du brauchst also gar nicht erst abzulehnen. Komm, Cassandra, wir haben bereits jedermann auf uns aufmerksam gemacht. Gib den Klatschbasen nicht wieder Anlass, über uns zu reden, indem du mich einfach stehen lässt wie schon einmal. Ach, und noch etwas“, setzte er lächelnd hinzu, „da wir jetzt zu einer Familie gehören, solltest auch du mich duzen.“
Cassandra zögerte kurz. Dann nickte sie und stellte ihr Glas ab. William legte sich ihre Hand in die Armbeuge, eskortierte sie aufs Parkett und zog sie an sich. Das Orchester hatte eine Walzermelodie angestimmt, zu der sich die Paare bereits vergnügt und schwungvoll über die Tanzfläche bewegten. William verstand es, sie mit sicheren Schritten zu führen, und machte es ihr leicht, ihm mit natürlicher Anmut zu folgen.
„Ich meinte es ernst, Cassandra.“
„Hilf meinem Gedächtnis auf die Sprünge, ich kann dir nicht folgen.“
„Ich werde nicht akzeptieren, dass du meinen Antrag ablehnst.“
Sie legte den Kopf in den Nacken und sah ihn an, als habe er den Verstand verloren. „Willst du mir sagen, dass du mir wirklich den Hof machst, William?“
„Genau so ist es. Schon bald werde ich dich davon überzeugt haben, dass
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