Suesse Hoelle
Instinkt. Ohne zu überlegen versuchte sie, mit ihren Gedanken Hollister zu erreichen, sie bemühte sich, diese ungreifbare Wolke des Bösen zu durchdringen. Es war, als suche man nach etwas im Nebel, wo es keine Wegweiser gab.
Mit einem Aufstöhnen sank sie auf die Couch. Was hatte sie denn erwartet? Seit sechs Jahren war ihr das nicht mehr gelungen, und selbst in der Zeit davor war es nicht einfach gewesen. Nur weil sie eine einzige verrückte Vision gehabt hatte und jetzt diese vage Gefahr fühlte, glaubte sie, ihre alten Fähigkeiten wären wieder da? Sie hoffte verdammt, dass sie nie wieder zurückkehren würden! Aber gerade jetzt, in diesem Augenblick, brauchte sie sie; sie musste der aufkommenden Panik etwas entgegenzusetzen haben.
Aber wenn er bewusstlos wäre - das Wort tot verbannte sie aus ihren Gedanken, ehe es sich in ihrem Kopf formen konnte -, dann würde es ihr nicht gelingen, seine mentalen Signale zu empfangen. Voller Verzweiflung versuchte sie, sich auf seinen Partner, Alex Trammell, zu konzentrieren. Ihm hatte sie wenig Aufmerksamkeit geschenkt, aber sie konnte sich sein Gesicht ins Gedächtnis rufen. Mit geschlossenen Augen sammelte sie ihre Konzentration; sie hörte ihren eigenen, hechelnden Atem, während sie sich auf die Suche nach diesem einen ganz besonderen Menschen begab. Denk nach! befahl sie sich. Denke an Trammell.
Es hatte keinen Zweck, sie gab auf.
Leise fluchend griff sie nach dem Telefonbuch und suchte unter dem Buchstaben H , bis sie die Hollisters fand. Warum nur gab es so viele davon? Ah, da war er ja. Dane Hollister. Sie nahm den Hörer und wählte die Nummer, noch ehe sie es sich anders überlegen konnte.
Und dann wusste sie plötzlich, dass mit ihm alles in Ordnung war.
Es war nicht wie früher. Sie hatte sich nicht in seine Gefühle eingeschaltet, keine mentale Sperre überwinden müssen. Sie wusste es einfach. Im Geiste sah sie ihn, wie er mit nackten Füßen und nacktem Oberkörper vor dem Fernsehapparat saß, ein Baseballspiel verfolgte und an einer Büchse Bier nippte. Er fluchte leise, als das Telefon läutete...
»Ja?«
Marlie zuckte zusammen. Das Wort klang in ihrem Ohr, und es war genauso, wie sie es sich vorgestellt hatte. »Äh... äh ... Entschuldigung«, stammelte sie und ließ dann den Hörer wieder auf die Gabel fallen. Sie starrte das Telefon an und war viel zu verwirrt, um zu wissen, was sie tun sollte. Bei den Hintergrundgeräuschen handelte es sich eindeutig um eine Sportsendung.
Dane zuckte irritiert mit den Schultern und fluchte ausgiebig. Er hatte einen Punkt in dem Spiel verpasst, gerade in diesem kurzen Augenblick, als er seine Aufmerksamkeit auf das Telefon richtete. Mit einem unwilligen Brummen lehnte er sich zurück, seine nackten Füße hatte er auf den Couchtisch gelegt. So gemütlich hatte er es sich schon lange nicht mehr machen können: ohne Hemd, ohne Schuhe, mit einem Bier in der Hand, das so kalt war, dass sein Mund bei jedem Schluck prickelte.
Der Anrufer war eine Frau gewesen. Das wusste er ganz instinktiv, auch wenn die Stimme sehr leise und ungewöhnlich rau gewesen war. Die Stimme einer Raucherin.
Er dachte an Marlie Keen. Ihre Stimme hatte einen etwas heiseren Unterton, er brauchte sie nur zu hören, um jedesmal wieder eine körperliche Erregung zu fühlen. Schnell blickte er an sich hinunter. Es traf auch diesmal zu.
Nun betätigte er die Wahltastatur.
»Haben Sie gerade angerufen?« wollte er wissen, nachdem er sich von der Auskunft ihre Nummer hatte geben lassen. »Ich... ja, es tut mir leid.«
»Aus welchem Grund?«
Er hörte sie atmen, ihr Atem ging schnell und flach. Irgend etwas hatte sie aufgeregt. »Ich habe mir Sorgen gemacht«, rückte sie schließlich heraus.
»Sorgen? Worüber?«
»Es kam mir vor, als seien Sie in Schwierigkeiten. Ich habe mich geirrt, Entschuldigung«, fügte sie hinzu.
»Sie haben sich geirrt«, wiederholte er übertrieben ungläubig. »Das muss man sich mal vorstellen!«
Sie knallte den Hörer auf die Gabel. Dane zuckte zusammen, streckte die Hand aus, um auf die Wahlwiederholung zu drücken, doch dann ließ er es bleiben. Anstatt sarkastisch zu sein, hätte er besser herausfinden sollen, warum sie sich Sorgen machte. Vielleicht lag ihr Nadine Vinick auf der Seele. Möglicherweise war sie kurz davor, ein Geständnis abzulegen. Polizist Ewan hatte ihr ein Alibi verschafft, doch das wusste sie noch nicht. Dane hätte wetten mögen, dass sie über den Täter Bescheid wusste Aber mit
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