Suesse Hoelle
seinem spitzen Mundwerk hatte er sich der Möglichkeit beraubt, das herauszufinden, denn jetzt würde diese Mimose nicht mehr mit ihm reden wollen.
Und dann wurde ihm klar, dass keiner von ihnen seinen Namen genannt hatte. Sie hatte gewusst, wer er war, genau wie er sie sofort erkannt hatte.
Und in einem hatte sie immerhin recht gehabt, verdammt. Er war wirklich in Schwierigkeiten. Noch einmal blickte er an sich hinunter. In großen Schwierigkeiten sogar.
Die Versuchung nagte an ihm. Er platzierte das Bier so heftig auf den Tisch, dass der Schaum aus der Dose spritzte. Noch einmal verfluchte er seine eigene Dummheit, dann nahm er den Hörer und drückte auf den entsprechenden Knopf.
»Hallo?« fuhr sie ihn an, noch ehe das Telefon zum zweiten Mal geläutet hatte.
»Was ist los? Reden Sie mit mir.«
»Sie möchten mich sprechen?« fragte diesmal sie übertrieben ungläubig.
»Wie wäre es zum Beispiel mit dem wirklichen Grund, warum Sie mich angerufen haben?«
»Den habe ich Ihnen doch gesagt. Ich dachte, etwas würde nicht stimmen.«
»Und wie sind Sie auf diesen Gedanken gekommen?« Auch beim besten Willen gelang es ihm nicht, den Unterton von Skepsis aus seiner Stimme zu vertreiben.
Sie holte tief Luft. »Hören Sie. Ich hatte ein eigenartiges Gefühl und habe mir Sorgen um Sie gemacht. Das war alles.«
»Wieso glaubten Sie, dass es etwas mit mir zu tun hätte?«
Am anderen Ende der Leitung herrschte Schweigen. Er wartete, doch sie sagte nichts. Das Schweigen war so vollkommen, dass er nicht einmal ihren Atem mehr hörte, und das alarmierte ihn. »Ist alles in Ordnung?« fragte er. »Marlie?« Es kam keine Antwort. »Mach schon, Kleine, rede mit mir, sonst komme ich sofort.«
»Nein! « Ihre Stimme klang erstickt. »Nein ... nein, das dürfen Sie nicht.«
»Ist alles in Ordnung mit Ihnen?«
»Ja. Ja. Es geht mir gut. Ich... ich habe nur gerade an etwas gedacht.«
»An was ?«
»Vielleicht hatte es ja gar nichts mit Ihnen zu tun. Vielleicht war es jemand anders. Ich muss es mir durch den Kopf gehen lassen. Auf Wiedersehen.«
»Hängen Sie nicht auf«, bat er. »Verdammt, Marlie, hängen Sie nicht auf. Shit! « Das Freizeichen dröhnte in seinem Ohr. Er sprang auf, wollte auf der Stelle zu ihr fahren, nachsehen...
... und was würde er herausfinden? Er bezweifelte, dass sie überhaupt an die Tür käme. Leider gab es keinen Grund, hinzufahren und sie noch einmal zu befragen, weil sie ja ein Alibi hatte. Das hatte ihn schon den ganzen Tag beschäftigt; es sei denn, er würde noch etwas anderes herausfinden, und in dieser Richtung sahen die Dinge ziemlich hoffnungslos aus. So gesehen bestand keine Notwendigkeit, noch einmal mit ihr zu reden. Den Mord an Nadine Vinick aufklären zu können erschien ihm immer unwahrscheinlicher. Dane ärgerte es maßlos, dass es so aussah, als würde dieser Fall zu einem wirklichen Rätsel, zu einem Fall, der nie aufgeklärt würde. Es sah aus wie ein Mord eines Fremden an einer Fremden, und Fälle dieser Art blieben im dunkeln. Doch Mrs. Vinick hatte etwas Besseres verdient.
Und er wollte Marlie Keen nicht aus den Augen verlieren. Wenn sie mit dem Gemetzel nichts zu tun hatte, und das musste er nolens volens annehmen, dann würde er sich etwas anderes einfallen lassen müssen. Was er fühlte, gefiel ihm ganz und gar nicht, doch es zu ignorieren gelang ihm auch nicht.
Marlie lief unruhig im Zimmer auf und ab, abwechselnd fluchte sie, dann wischte sie sich die Tränen von den Wangen. Dieser ungehobelte Hollister! Er machte sie so wütend, dass sie liebend gern mit der Faust zugeschlagen hätte, hätte er in diesem Augenblick vor ihr gestanden. Doch Hollister war noch das kleinste ihrer Probleme. Ihre alte Gabe kam ganz offensichtlich zurück, wenn auch in ein wenig abgewandelter Form. Vielleicht war es nicht mehr die totale Identifikation mit einer anderen Person - sondern ihre Fähigkeiten hatten jetzt eher eine hellseherische Qualität. Wie sonst hätte sie wissen können, dass Hollister sich im Fernsehen ein Sportmatch ansah? Wie sonst hätte sie so genau wissen können, was er ihr antworten würde? Das war ihr noch nie zuvor passiert.
Sie hatte an ihn gedacht, ganz unbeabsichtigt, doch definitiv war sie in Gedanken bei ihm gewesen, als dieses Gefühl der Unsicherheit sie überfallen hatte, das Gefühl von Gefahr. Automatisch hatte sie es dann mit ihm in Zusammenhang gebracht, doch das war falsch gewesen. Er hatte ihre Gedanken so sehr beschäftigt, dass sie gar
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