Suesse Hoelle
auch den Rest des Tages mit ihr verbringen zu können, so zeigten doch die roten Zahlen der Digitaluhr neben dem Bett unerbittlich das Verrinnen der Stunden. Es war Viertel nach acht. Er musste duschen, sich rasieren, frühstücken, um dann um zehn Uhr in der Stadt zu sein.
»Ich muss gehen«, murmelte er.
Sie hob nicht den Kopf von seiner Brust. Er streichelte weiter ihren Rücken. »Wohin?«
»Zur Wache. Wir haben um zehn Uhr einen Termin bei unserem Chef.«
Sie verkrampfte sich nicht, dennoch fühlte er die Starre, die von ihrem Körper Besitz ergriff. »Wegen gestern Abend?«
»Ja. Es war derselbe Täter.«
»Ich weiß.« Sie hielt inne. »Und was geschieht jetzt?«
»Wir werden alle Einzelheiten zusammentragen, die uns aus den beiden Fällen bekannt sind, und arbeiten dann die Gemeinsamkeiten heraus. Wir werden eine Sondereinheit bilden, die sich nur mit dieser Bestie beschäftigt. Vielleicht rufen wir sogar das FBI zu Hilfe.«
Mit fester Stimme sagte sie: »Wenn du möchtest, dass ich alles noch einmal erzähle, dann werde ich das tun.«
Er wusste, was dieses Angebot für sie bedeutete, und wusste auch, dass sie sich schon darauf vorbereitete, ihren Tribut zu entrichten. Sie würde sich der Lächerlichkeit preisgeben, dem Unverständnis und dem Misstrauen; sogar er selbst hatte sie damit bedacht, trotz der Tatsache, dass er sich von Anfang an zu ihr hingezogen gefühlt hatte. Aber sie ließ sich nicht zum ersten Mal auf so eine Geschichte ein, dennoch war sie bereit dazu.
Er drückte sie an sich. »Ich möchte dich all dem nicht aussetzen.«
»Aber du wirst es tun, wenn es nicht anders geht?«
»Jawohl.«
Er war erleichtert, als er merkte, dass seine Worte sie nicht verletzt hatten. Sie akzeptierte die Notwendigkeit. Liebevoll strich er ihr über das Haar. »Es gibt da etwas, das ich dir sagen muss«, begann er zögernd. »Ich möchte nicht, dass du davon in der Zeitung liest oder es übers Fernsehen erfährst.«
Sie wartete, wusste, dass es eine schlimme Nachricht war. Dane wollte es ihr am liebsten gar nicht erzählen, doch hatte er es schon so lange wie möglich hinausgeschoben. Gestern war sie nicht in der Verfassung gewesen, sich die Fernsehnachrichten anzusehen, doch heute sah das anders aus. Es sollte sie nicht unvorbereitet treffen.
»Ansel Vinick hat sich Freitag Nacht umgebracht.«
Der Atem, den sie angehalten hatte, entwich ihr in einem Seufzer. So viel Schmerz, dachte er traurig.
»Das sind schon drei Menschen«, klagte sie. »In einer Woche hat er drei Menschen umgebracht.«
»Wir werden ihn erwischen«, versicherte Dane ihr, obwohl sie beide wussten, dass sie noch weit davon entfernt waren. Wieder warf er einen Blick auf die Uhr. Zwanzig nach acht.
Er rollte sich herum und zog sie mit sich, bis sie unter ihm war, dann zog er sich langsam aus ihr zurück. »Möchtest du mit mir duschen?«
Auch sie warf einen Blick auf die Uhr. »Nein, ich mache das Frühstück. Wenn du fertig bist, steht alles auf dem Tisch.«
»Okay. Danke, mein Schatz.«
Belustigt darüber, wie bereitwillig er ihr Frühstücksangebot angenommen hatte, zog sie sich an und ging in die Küche. Normalerweise aß sie am Morgen nur Frühstücksflocken und Obst, doch ein Mann seiner Größe würde wahrscheinlich mehr brauchen. Sie kochte eine Kanne Kaffee und holte dann das nur selten benutzte Waffeleisen hervor. Während es warm wurde, mischte sie den Teig zusammen. Wie viel würde er wohl essen? Sie schaffte gerade einmal eine Waffel, doch er würde sicher ohne Schwierigkeiten zwei oder drei vertragen.
Sie hörte in der Dusche das Wasser rauschen und wie er vor sich hinsummte. Die Kaffeemaschine zischte und brodelte. Frühstück für Dane! Die häusliche Atmosphäre erstaunte sie, und sie ließ beide Hände sinken. Nie zuvor hatte sie für jemanden Frühstückswaffeln gebacken, nie zuvor eine richtige Mahlzeit für jemanden gekocht.
Seit sechs Jahren hatte sie daran gearbeitet, sich ein sicheres, normales und abgeschirmtes Leben aufzubauen. Doch in einer einzigen Woche hatte sich ihr Dasein vollkommen verändert, und sie bemühte sich noch immer um ihr inneres Gleichgewicht. Sicher und normal stand jetzt nicht mehr zur Debatte, und ihre Einsamkeit war offensichtlich auch vorbei. Bis vor kurzem hatte es ihr gefallen, die Dinge auf ihre Art zu tun, in ihrem eignen Rhythmus: Sie hatte es genossen, die ganze Nacht zu lesen, wenn sie es wollte, zu essen, worauf sie gerade Appetit hatte. Vor Gleen hatte sie sich
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