Süsse Küsse und unschickliche Geheimnisse
verstehen, sollten Sie einen solchen Besuch langweilig finden.“
Er sah ihr an, dass sie überlegte, und fragte sich, was sie zurückhalten mochte. Sicher wieder die Frage, ob es sich ziemte, die Einladung eines fast Fremden anzunehmen. David wollte auf keinen Fall von ihr abgewiesen werden und stellte erstaunt fest, dass er sogar bereitwillig jede ihrer Bedingungen akzeptieren würde, wenn er auf diese Weise ihre Gesellschaft gewinnen konnte.
Zum Teufel! Was war nur in ihn gefahren?
„Ich könnte Nathaniel bitten, uns zu begleiten, falls Sie das beruhigen würde. Oder vielleicht ließe sich Ihre Tante dazu überreden, die Anstandsdame zu spielen.“
„Ich fürchte, für Tante Euphemia wäre der anstrengenden Weg bis zur Schatzkammer des Schlosses nicht zu bewältigen.“ Sie überlegte kurz, wobei sie auf der Unterlippe kaute, und David war einen Moment lang nicht fähig, einen klaren Gedanken zu fassen oder den Blick von ihrem Mund zu nehmen. „Ich weiß genau die richtige Person, die sich zu uns gesellen könnte.“
„Schön. Soll ich Sie also bei Ihnen zu Hause abholen? Wenn Sie mir Ihre Adresse geben möchten, komme ich mit der Kutsche um zehn bei Ihnen vorbei. Falls das nicht zu früh oder zu spät ist.“
Anna schüttelte den Kopf. „Die Zeit ist genau richtig, aber könnten Sie mich stattdessen hier abholen? Ich habe davor noch einiges zu erledigen.“
David stieg aus, nahm ihren Korb und stellte ihn auf die Straße und half ihr dann aus der Kutsche. Anschließend begleitete er sie bis zur Tür. „Ich freue mich auf morgen, Miss Fairchild.“
Sie wandte sich zu ihm um, sicherlich in der Erwartung, dass er gehen werde. Was er aber nicht tat. „Guten Tag, Mr. Archer“, sagte sie.
Im nächsten Moment erschien Nathaniel neben ihr, und sie zuckte leicht zusammen. Sie sah von einem Mann zum anderen und stellte sich plötzlich überraschend zwischen die beiden, als wolle sie Nathaniel beschützen.
David hätte fast laut gelacht, denn wenn er der Meinung gewesen wäre, es gäbe einen Grund, Nate körperlichen Schaden zuzufügen, hätte Miss Fairchilds zierliche Gestalt, so reizend sie auch war, ihn wohl kaum davon abhalten können. Stattdessen bemerkte er die Sorge in ihrem Blick und trat zurück.
„Nate“, sagte er, „die Kutsche wartet.“
Miss Fairchild sah Nathaniel verblüfft an. David konnte förmlich spüren, wie sie mit sich kämpfte, um nicht mit einer Frage herauszuplatzen. Die Spannung zwischen ihnen wuchs.
„Bis morgen, Miss Fairchild.“
David tippte sich an den Hut und folgte Nathaniel zur Kutsche. Er hatte dem Fahrer bereits Anweisungen gegeben, sodass die Fahrt durch den ständig dichter werdenden Verkehr auf den Straßen der Stadt ohne Verzögerung beginnen konnte.
„Trey …“
David unterbrach ihn mit einem warnenden Blick. „Mr. Archer, es gibt wirklich nichts zu besprechen“, fuhr Nathaniel fort.
Er schüttelte den Kopf. „Zwei Freunde haben nach so langer Trennung über jede Menge zu reden.“ David wollte sein eigentliches Anliegen nicht in einer Droschke mitten auf der Straße besprechen. „Erzähl mir von Clarinda.“ Zwar hatte Nate oft von seiner Schwester gesprochen, doch David war ihr nie begegnet. „Wen hat sie geheiratet?“
„Lord MacLerie.“
„Sein Vater ist doch der Marquess of …“
„Duran. Ja.“ Die knappen Antworten sollten ihn wohl kaum ermutigen, das Gespräch in freundschaftlichem Ton fortzusetzen. David stieß einen resignierten Seufzer aus, und Nathaniels Blick wurde noch trotziger.
„Ich dachte, es geht hier um ein ganz bestimmtes Thema, das uns beiden am Herzen liegt, und nicht darum, dich über die Ereignisse in meiner Familie auf den neuesten Stand zu bringen.“
„Du meine Güte, Nate. Ich habe dich seit sieben Jahren nicht gesehen und wollte einfach nur höflich sein.“
Nathaniel erwiderte nichts darauf, sondern wandte nur den Kopf ab und besah sich die neuen oder im Bau befindlichen Häuser in der George Street, an denen sie gerade vorbeifuhren. Wie es hieß, würden die Bauarbeiten in der New Town noch mehrere Jahre fortgesetzt werden. Er hatte klug gehandelt, als er sich diesen Teil der Stadt für sein Unternehmen aussuchte. Die Kutsche ratterte über die North und die South Bridge, fort vom alten und neuen Teil Edinburghs und weiter in Richtung Nicolson Road.
„Lebt dein Vater noch auf dem Land?“ David wartete kurz auf eine Antwort. „Wenn ich fragen darf.“
Nathaniel nickte. „Ja. Er zieht es vor, die
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