Süsse Küsse und unschickliche Geheimnisse
gewinnen.“ Zu seiner Erleichterung wurde ihr Blick freundlicher, und er erwiderte ihr Lächeln. „Ist Mr. Goodfellow genauso dickköpfig?“
„Ich kann nicht für ihn sprechen, Sir, aber ich nehme an, dass dieser neueste Angriff von Lord Treybourne eine Antwort erhalten wird.“
Wie er vermutet hatte, würde mindestens noch eine weitere Steigerung erfolgen, bevor sie die Feindseligkeiten in den Griff bekommen konnten. Andererseits hatte das Ganze auch seine Vorteile, denn jeder Artikel ließ das Interesse der Leserschaft an den Zeitschriften wachsen.
„Das dachte ich mir schon, Miss Fairchild.“ Er erhob sich und bot ihr seinen Arm. „Nathaniel muss inzwischen außer sich sein vor Sorge und bereit, die Konstabler zu rufen. Darf ich Sie zur Redaktion zurückbegleiten?“
Obwohl sie ihn zweifelnd ansah, stand auch sie auf, legte ihm ihre Hand auf den Arm und erlaubte ihm, sie zu führen. Sie trug genau wie er keine Handschuhe, und so lagen ihre Fingerspitzen genau über dem Saum seines Ärmels und berührten seine Haut. Als es ihm auffiel, erschauerte David am ganzen Körper. Er setzte sich zwar in Bewegung, ohne sich allerdings recht bewusst zu sein, in welche Richtung. Nach einigen ziellos hinter sich gebrachten Häuserreihen wies sie ihm den richtigen Weg, nahm aber nicht die Hand von seinem Arm. In der Nähe des Büros angekommen, zupfte sie ihn leicht am Ärmel, damit er stehen blieb.
„Was sind jetzt Ihre Pläne, Mr. Archer, wenn ich fragen darf?“
Edinburgh verlassen, solange ich dazu noch in der Lage bin, dachte er unwillkürlich. Doch in diesem Augenblick, da er ihr so dicht gegenüberstand, war ihm nur danach zumute, nach Gründen zu suchen, die sein Bleiben verlangten.
„Ich werde die Angelegenheit beenden, die mir aufgetragen wurde, und dann nach London zurückkehren.“
„Und Seiner Lordschaft berichten?“
„Ja.“
„Glauben Sie, er wird versuchen, Nathaniels Zeitschrift zu ruinieren? Das ist meine größte Sorge, Mr. Archer.“
Erstaunt über ihre Offenheit, antwortete er ihr mit der gleichen Ehrlichkeit.
„Nein, ich denke, Lord Treybourne hat keine solche Absicht, leider kann ich nicht dasselbe über jene behaupten, die ihn umgeben.“
Er hatte ihr die Wahrheit gesagt, denn er machte sich wirklich Gedanken darüber, wozu sein Vater fähig sein mochte, um seine Ziele zu erreichen. David vermutete, dass der Marquess den Text seines Artikels verändert hatte. Zwar war er selbst auch nicht zimperlich mit seinem Gegner umgegangen, hatte ihn aber in seiner Version nicht beleidigt. Doch von hier aus konnte er nichts weiter tun, als Mr. Goodfellows Antwort abzuwarten.
„Sein Vater, der Marquess?“, vermutete sie.
Er nickte. „Und nun, Miss Fairchild? Was werden Sie jetzt tun?“
„Ich werde meine Arbeit fortsetzen wie vor Ihrer Ankunft in Edinburgh, Sir. Ich werde mich um Dinge kümmern, die mir wichtig sind – meine Wohltätigkeitsarbeit und das Wohlergehen und die Zukunft meiner Schwester.“
„Und Ihre eigene Zukunft, Miss Fairchild? Wer kümmert sich darum?“
Er hatte die Worte ausgesprochen, bevor er es verhindern konnte. Eine solche Frage zu stellen war völlig unangebracht und vermessen, besonders da sie von einem Fremden kam. Als Miss Fairchild antwortete, klang ihre Stimme verloren, ja fast verzweifelt. Doch ihre Worte waren so schlicht und drückten so viel Würde aus, dass es ihm das Herz brach.
„Natürlich ich, Sir, wie auch zuvor schon.“
Anna überquerte die Straße und ging etwas beklommen auf das Büro – und Nathaniel – zu. Ihre Beziehung war eine seltsame Mischung aus Freundschaft und dem missglückten Versuch romantischer Annäherung von Nathaniels Seite. Im Grund sollte sie böse auf ihn sein.
Lesher saß an seinem Schreibpult, als sie hereinkam, sah nur kurz auf und nickte ihr zu, um sich wieder seiner Lektüre zu widmen. Anna ahnte, dass er Lord Treybournes Artikel entdeckt haben musste.
Sie näherte sich zögernd Nathaniels Büro und atmete tief ein, bevor sie die Tür öffnete. Der Raum war leer. Hinter sich hörte sie Lesher herankommen.
„Ich sah ihn bei meiner Ankunft hinausgehen, Miss.“
„Erwähnte er, wohin er gehen wollte?“ War er ihr womöglich gefolgt?
Im nächsten Moment betrat Nathaniel hinter Lesher das Büro und kam auf sie zu. „Ich habe nach dir gesucht, Anna, weil ich fürchtete, du könntest durch die Enthüllung vorhin aufgebracht sein.“ Er schickte Lesher hinaus und schloss die Tür hinter Anna und sich.
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