Süsse Küsse und unschickliche Geheimnisse
hereinkommen, ohne den Gang zu benutzen. Sie lehnte sich zurück und schüttelte den Kopf.
„Vielleicht war mein Plan doch nicht so gut“, sagte sie, gerade als ein Geräusch hinter dem Vorhang sie aufhorchen ließ.
„Was für ein Plan, Miss Fairchild?“
Seine Stimme würde sie immer und überall wiedererkennen. Mr. Archer hatte die Einladung also angenommen. Er schob den Vorhang beiseite und betrat die kleine Loge mit den sechs Sitzen. Anna warf Clarinda einen warnenden Blick zu und betupfte sich mit einem Taschentuch die Stirn.
„Ich wusste nicht, dass es so heiß ist im Theater, sonst hätte ich meine Garderobe besser vorausgeplant, Sir.“
In diesem Augenblick wurde David klar, dass er der einzige Mann war, der anwesend sein würde.
„Ich nehme an, Lord MacLerie und Nathaniel hatten andere Pläne“, sagte er. „Welch Glück für mich, ganz allein die Gesellschaft dreier so reizender Damen genießen zu dürfen.“
Tante Euphemia lächelte angenehm berührt, und man sah ihr an, wie sympathisch sie Mr. Archer sofort fand.
Er begrüßte jede Dame einzeln, sprach freundlich mit Annas Tante und erkundigte sich nach ihrer Gesundheit, bevor er Lady MacLerie für die Einladung dankte. Als er neben ihr stand, spürte Anna eine leise Erregung in sich aufsteigen.
Es war etwas über eine Woche vergangen, seit sie ihn das letzte Mal gesehen hatte. Nathaniel hatte ihr mitgeteilt, Mr. Archer sei auf eins der Güter Lord Treybournes geladen worden, und damals hatte sie das für eine ausgezeichnete Entwicklung der Dinge gehalten. Sie nutzte die nächsten Tage, um ihre Antwort auf Lord Treybournes Artikel zu entwerfen. Anschließend überlegte sie sich, bei welchen Gelegenheiten sie Mr. Archer nach seiner Rückkehr zu den Orten in Edinburgh bringen konnte, wo die Ärmsten der Armen ihr unglückliches Leben fristeten. Der heutige Abend war nicht dafür geeignet, stellte aber den Anfang ihres Plans dar.
Diese Vorbereitungen hatten einen einzigen Tag in Anspruch genommen, und danach war ihr nur geblieben zu warten. Als sie sich dabei ertappte, wie sie sinnend aus dem Fenster ihres Büros starrte, rief sie sich zur Ordnung. Als sie ein anderes Mal feststellte, dass sie auf der Straße vor der Schule stand und Ausschau hielt nach seiner Mietkutsche, schalt sie sich für ihre Torheit. Doch es half nichts. Sie musste sich eingestehen, dass sie Mr. Archer trotz seiner Verbindung mit Lord Treybourne äußerst anziehend fand.
Jetzt, da die Lichter gedämpft wurden und die Menge ihre Aufmerksamkeit auf die Bühne richtete, wählte er einen Sitz hinter ihrem und setzte sich. Der erste Teil der heutigen Unterhaltung bestand aus einer komischen Farce über ein hiesiges Fischweib, und schon bald schüttelte sich das Publikum vor Lachen über die drolligen Possen der Frau. Anna hörte Mr. Archers tiefes Lachen direkt hinter sich. Wenige Minuten später spürte sie seinen Atem an ihrem Ohr und im Nacken, sodass sie erschauerte.
„Ich habe gehört, jemand will die Geschichte von Rob Roy für die Bühne bearbeiten, Miss Fairchild.“
Eine harmlosere Bemerkung hätte er nicht machen können, trotzdem rief sein warmer Atem ein wohliges Prickeln hervor. Doch trotz der seltsamen, fast schon skandalösen Empfindungen, die er in ihr erweckte, hoffte sie, dass er ihr wieder etwas zuflüstern würde.
Und das tat er auch.
„Es heißt, der Verfasser arbeite gerade jetzt auf seinem schottischen Gut an dem Werk.“
Wieder nur eine unschuldig geflüsterte Bemerkung, allerdings mit verheerenden Folgen. Dieses Mal benutzte Anna das Taschentuch allerdings, weil ihr wirklich der Schweiß auf der Stirn stand. Und dennoch rückte sie nicht von der verführerischen Nähe Mr. Archers ab.
Die kurze Farce kam zu einem Ende, und als man die Bühne für das nächste Stück vorbereitete, erhob sich David. „Hätten die Damen gern eine kühle Erfrischung?“
Sie nickten, und so wandte er sich zum Ausgang der Loge. Anna fasste rasch einen Entschluss. „Clarinda, ich werde Mr. Archer den Weg zeigen.“
Sie folgte ihm hinaus in den Gang. Inmitten der Menge der Menschen, die ebenfalls eine Erfrischung begehrten, gelangten sie ins Foyer, wo Punsch und Limonade und kräftigere Getränke für die Gentlemen angeboten wurden.
Er überraschte sie, als er, statt sich in die Schlange einzureihen, einem Diener ein Zeichen gab, ihm einige Münzen in die Hand drückte und dem Mann etwas zuflüsterte.
„Wenn ich Ihnen etwas vorschlagen dürfte, Miss
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