Sueße Prophezeiung
sicher, dass Ihr das mögt? Ich wollte eigentlich mit Euch in den Lagerraum gehen und nicht Euch Arbeit aufbürden.«
Tegan packte die schiere Verzweiflung beim Anblick der Braut, die ein Messer in der Hand hielt, während vor ihr ein Haufen Rüben lag.
»Ich habe meine Hilfe angeboten. Du hast sie mir nicht aufgebürdet«, stellte Avalon klar. »Mir gefällt es. Ich genieße es. Und bald werden viele hungrige Männer aus den Stallungen kommen. Da kannst du ein paar zusätzliche Hände sicher gebrauchen.«
»Aye, nun ja, das stimmt«, gab Tegan zu und schaute sich mit gehetztem Blick in der Küche um.
Das Unglück in den Stallungen, obwohl nicht wirklich eine Katastrophe, hatte gereicht, den gesamten Haushalt der Burg in rasende Betriebsamkeit zu versetzen. Die meisten Männer arbeiteten draußen, um den Schaden noch vor Einbruch der Dunkelheit und dem Aufkommen des nächsten Schneesturms zu beheben. Geschäftig eilten die Leute zwischen der Wirtschaftskammer, den Stallungen und der großen Halle hin und her. Dabei verbreitete sich die Kunde, dass der Schaden doch nicht so groß war wie anfangs befürchtet. Keins der Pferde war verletzt worden, kein Stallknecht hatte zu dicht neben den berstenden Balken gestanden. Aber im Dach klaffte ein Loch, und es war mit weiteren Schneefällen zu rechnen. Deshalb gab es viel Arbeit und die musste man schnell erledigen, um rechtzeitig fertig zu werden.
Entschlossen begann Avalon, die Rüben zu schneiden. Die Geschäftigkeit in der Küche und die Stimmen der Frauen, die sie mittlerweile alle kennen gelernt hatte, schenkten ihr Geborgenheit. Das Gefühl von Zusammengehörigkeit bei einer Krise verband alle von jung bis alt. Der Clan Kincardine arbeitete Hand in Hand, um Probleme, die auftauchten, zu bewältigen.
Zu ihrer Rechten stand Greer, die mit wahrer Begeisterung den ihr zugeteilten Haufen Gemüse hackte. Zu ihrer Linken stand die kleine Inez, die die geschnittenen Rübenstückchen fürs Kochen in einem Korb einsammelte.
Trotz des Wetters war es in der Küche heiß. Drei große Feuer brannten, und die Frauen unterhielten sich miteinander, wobei immer wieder Gelächter ausbrach.
Avalon lauschte dem Geplänkel nur mit halbem Ohr, zur anderen Hälfte konzentrierte sie sich auf die gleichmäßige Bewegung, mit der sie das Messer führte. Es fing den Feuerschein ein, der wie ein goldener Funke die Klinge hinuntersauste.
Was schadet es schon?, fragte eine Stimme in ihrem Kopf. Das war das Letzte, was sie jetzt hören wollte. Die verborgenen Töne ihrer Chimäre.
Was schadet es schon, einen Blick zu riskieren?, schlug sie nicht unfreundlich vor.
Energisch griff sie nach der nächsten Rübe und hieb das Messer hinein, um sie zu teilen.
Es ist eine ganz einfache Sache. Es schadet nicht, mal einen Blick in die Runde zu werfen, meinte ihre Verbündete und gleichzeitige Feindin.
Sie teilte die Rübe in Viertel, in Achtel.
Unseretwegen, hatte Marcus gesagt, ich frage deinet- und meinetwegen ...
In Sechzehntel.
Es schadet doch nichts, einen Blick zu riskieren.
Kleine gelbe und weiße Stücke, die mit glänzender Klinge noch kleiner gehackt wurden.
Es schadet doch nichts.
In dem Moment verfehlte die Klinge ihr Ziel, schlug die saftige Ecke von einem Stück Rübe weg und grub sich dicht neben ihrem Daumen tief in ihr Fleisch. Sie schaute zu, wie sofort Blut hervortrat und seltsamerweise tat es gar nicht weh, sondern schien nur äußerst faszinierend zu sein. Die Klinge war jetzt scharlachrot, und das Blut tropfte im steten Strom auf ihr Schneidbrett aus Holz. Grell hob es sich von der Blässe ihrer Haut ab.
Avalon sah, wie sich das Blut am Rande des Brettes sammelte. Bald würde die Lache zu groß sein, um sich noch länger dort halten zu können.
Wie aus weiter Ferne drangen Geräusche an ihr Ohr: bizarre, unnatürlich wirkende Klänge. Leute schienen ihr etwas zuzurufen, aber sie konnte sie nicht verstehen.
Ein Tropfen Blut löste sich und fiel zu Boden. Er hatte die vollkommene Form einer Träne, auf merkwürdige Weise schön, tiefrot, makellos.
Er rann auf den Steinboden und bildete einen perfekten kleinen Kreis, dessen Mitte durch den Aufprall wieder nach oben geschleudert wurde, sich vom Boden löste und dann erneut hinunterfiel. Rotes, rotes Blut ...
... floss überall. Es tränkte die Felle und die Kleider. Es machte alles klebrig und steif, wo es hinkam.
Im Dunkeln war es nicht rot, sondern schwarz. Das Licht der Fackeln verlieh ihm einen dunklen Glanz, und
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