Sueße Prophezeiung
Überfall auf Trayleigh gesteckt hatte. Solch eine Notiz ließ sich zu leicht abtun oder als Fälschung verwerfen. Dadurch würden sich lauter unangenehme Folgen ergeben, mit denen Marcus noch nicht bereit war, sich auseinander zu setzen.
Außerdem hatte Avalon ihm signalisiert, dass sie wollte, dass alle davon erfahren sollten. Entgegen dem, was das Gesetz ihm erlaubte, und dem allgemeinen Verständnis, dass ein Mann sich nicht den Wünschen seiner Frau zu beugen hatte, würde Marcus nur mit offenen Karten spielen. So schien es ihm richtig, und es würde bestimmt helfen, ihr Vertrauen zu gewinnen.
Jetzt sprach Sean das Wort aus, an das alle dachten, aber keiner wagte zu äußern:
»Annullierung.«
Ein dumpfer Schlag ließ Marcus wieder zum Fenster schauen. Die schmelzenden Überreste eines Schneeballs glitten die Scheibe hinunter und tropften vom Glas. Er blickte nach draußen und sah Avalon allein im platt getretenen Schnee des Hofes stehen. Sie schützte ihre Augen vor der Sonne, indem sie sie mit einer Hand beschirmte, während sie zu ihm hinaufwinkte.
»Es besteht kein Grund für eine Annullierung«, erklärte Marcus, während er seine Rechte flach gegen die Scheibe drückte, sodass sie es sehen konnte. »Dafür werde ich sorgen.«
Minuten später eilte er zu ihr. Sie stand immer noch im Burghof. Die Kinder waren fort und um sie herum glitzerte alles.
Avalon beobachtete ihn, während er näher kam. Der Schnee reichte ihm bis zu den Knöcheln, sein Umhang blähte sich hinter ihm, und sein Haar war unbedeckt. Sein Lächeln galt nur ihr.
Zu ihrem großen Erstaunen – und ihrer Erleichterung – war die Gewissheit, die sie an jenem Morgen vor vier Tagen gespürt hatte, nicht gewichen. In der Tat machte der bemerkenswerte Anblick von Marcus, der mit großen Schritten durch das winterliche Weiß auf sie zukam, die Empfindung klarer als die Luft, die sie umgab.
Ihr Entschluss fühlte sich gut an. Trotz der bitteren Erfahrungen der Vergangenheit, trotz ihrer gebrochenen Schwüre, die seinerzeit gerechtfertigt schienen.
Und wem sollte man die Schuld an diesem verratenen Gelöbnis geben, da Marcus doch überhaupt nicht so war, wie sie befürchtet hatte? Er glich Hanoch in keiner Weise, und in dem Moment, als er ihr versprochen hatte, ihr nie wehzutun, sagte er die absolute Wahrheit.
Was die andere Sache betraf, jene Beteuerung, dass er sie durchaus vom Mythos trennen könne – nun, da musste sie wohl ein Auge zudrücken und seinen Worten vertrauen. Vielleicht wäre es auch zu viel verlangt, dafür einen befriedigenden Beweis zu fordern.
In den letzten Tagen war der Clan ständig um sie gewesen, überglücklich, dass sie den Laird vor ihren Augen geheiratet hatte und ihr Fluch damit aufgehoben war.
Trotzdem schien es ihr dumm und sogar gefährlich, wie sehr sie sich gegen Schwierigkeiten gefeit fühlten.
Aber sie konnte ihnen nicht ins Gesicht sehen und ihre Freude trüben hinsichtlich dessen, was sie sich so sehnlichst wünschten. Was schadete es denn schon, wenn sie ihre Meinung für sich behielt, während die Leute immer wieder von der Legende und den guten Zeiten, die vor ihnen lagen, sprachen? Nichts, so hoffte sie zumindest. Sie wollte ihnen doch nicht die neue Hoffnung nehmen – wo sie nun ihre Familie bildeten.
Vergebung, Vertrauen. Dies schienen die Dinge zu sein, die für sie sprachen. Wenn der Zauberer an jenem weit zurückliegenden Tag auf der Wiese im Tal Recht gehabt hatte und es wirklich Dinge gab, die man aus jedem Leben lernte, dann mochte dies ihre Botschaft sein, dachte Avalon.
Vergib die Vergangenheit.
Habe Vertrauen in die Zukunft.
Es war jedoch die Gegenwart, die ihr am meisten Sorgen bereitete.
Der Clan Kincardine und seine Legende: ihr Feind von alters her. Der Kampf hatte zu lange gewährt, als dass sie die Erinnerung daran einfach so vergessen konnte. Sie musste mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln gegen ihren Aberglauben kämpfen oder eingestehen, dass sie Teil von etwas unvorstellbar Großem und Furchteinflößendem war. Etwas ähnlich Seltsames wie eine Wirklichkeit gewordene Chimäre. Und dieses Eingeständnis wollte sie nicht leisten.
Am meisten beunruhigte sie jedoch, dass es so einfach wäre, sich in dieser Welt zu verlieren, in der Wärme, Geborgenheit und der Glaube an solch verrückte Vorstellungen dazugehörten. Diese Welt würde sie gefangen nehmen und nie wieder freilassen. Sie musste stets auf der Hut sein.
Doch zwischen all diesen verwirrenden
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