Sueße Prophezeiung
beherrschte. »Du wirst meinen Sohn heiraten. Was du dir auch wünschen oder denken magst, hat keine Bedeutung, selbstsüchtiges Ding! Vergiss das nie!«
Er trat einen Schritt zurück und schloss langsam die Tür, sodass die undurchdringliche Dunkelheit immer näher herankroch.
»Du wirst bis morgen früh dort drin bleiben, bis du bereit bist, dich für die Beleidigung des Clans zu entschuldigen. Vorher kommst du hier nicht raus.«
Die Tür knallte zu und tauchte sie in tiefe Finsternis.
Avalon hockte mit hochgezogenen Schultern und geschlossenen Augen in der Ecke, während ihre Hand immer noch auf ihrem Mund lag, um die Schluchzer, die drohten nach oben zu steigen, zurückzudrängen.
Ich werde ihn niemals heiraten! Ich werde ihn niemals heiraten! Ich werde ihn niemals heiraten ...
Die allwissende Chimäre, das bittere Erbe des nicht realen Fluchs ihres Onkels legte ihren Kopf auf die Pfoten und begann, um sie zu weinen.
Sie hatte einen Albtraum.
Marcus hörte das erste leise Stocken ihres Atems, das Geräusch ihrer Hände, die unruhig über ihre Decke strichen.
Er lag ihr am nächsten. Deshalb hob er prüfend den Kopf. Trotz des provisorischen Zeltes, das sie aus überzähligen Tartans und Stöcken für sie errichtet hatten, konnte er sie deutlich sehen – ihr Gesicht, das über den Rand des Stoffes hinausschaute.
Lady Avalons Schlaf war unruhig. Sie drehte ihren Kopf von einer Seite zur anderen, während sie in dieser schrecklich unregelmäßigen Art und Weise atmete, die ihm einen Kloß in den Hals steigen ließ. Es überraschte ihn, wie schlimm er es fand, dass sie im Traum so leiden musste.
Langsam setzte er sich auf und warf seine Decke zurück. Er hatte keine Ahnung, was er tun sollte. Wenn er sie weckte, standen die Chancen nicht schlecht, dass er keinen Dank für seine Besorgnis ernten würde. Doch wie sollte er andererseits bei diesen unvergossenen Tränen, die so ergreifend waren und ihn quälten, schlafen können, statt sich um sie zu kümmern?
Vorläufig schaute er sie nur an. Der Schatten des behelfsmäßigen Zeltes ließ sie in einem jenseitigen Glanz erstrahlen und tauchte ihre verlorene Seele gleichsam in Sternenlicht. Ihre glatte Stirn war leicht gerunzelt, ihre Lippen verkrampft, um sich dann etwas zu öffnen.
Ziemlich hilflos dachte Marcus, wie schön sie war, diese ihm versprochene Braut – und wie verflucht schwer es wohl würde, sie dazu zu bringen, ihn zu akzeptieren. Vielleicht würde sie das nie tun.
Dieser Gedanke erfüllte ihn mit einer seltsamen Verzweiflung. Sie war ein weltentrücktes Wesen – stark und gleichzeitig zart, Kriegerin und trotzdem Frau. Selbst eine Fee, in den Widersprüchen ihres Lebens gefangen und außerhalb seines Verständnisses. Und doch, während sie sich so in ihrem ruhelosen Schlaf hin und her warf, spürte Marcus eine tiefere Verbundenheit mit ihr, als er je für möglich gehalten hätte.
Er kannte Albträume. Ja, er wusste alles über sie. Ihr Traum würde sich in Luft auflösen, genau wie die Tränen, die sie nicht vergossen hatte. Am nächsten Morgen würde sie ihm mit demselben starrsinnigen Trotz entgegentreten, den sie bisher aufgeboten hatte. Wahrscheinlich sollte er das bewundern.
Aber wie viel näher fühlte er sich ihr in diesem Moment, wo sie in ihrer Traumwelt gefangen war. Sogar die unnahbare Lady Avalon schien also menschliche Züge zu besitzen und war von eigenen Dämonen beherrscht, denen sie sich stellen musste.
Was würde er alles darum geben, an ihrer statt gegen diese Dämonen zu kämpfen.
Endlich wich der Traum und sie entspannte sich. Sie hörte auf, sich hin und her zu wälzen, ihr Antlitz glättete sich, und ihr Atem wurde wieder gleichmäßig. Doch Marcus konnte selbst keinen Schlaf finden.
Am nächsten Morgen stiegen beide in den Sattel und ritten los, als sei die letzte Nacht genau wie alle anderen gewesen. In stoischem Schweigen saß Avalon vor ihm auf seinem Hengst im Sattel. Sie registrierte, wie sich die Landschaft veränderte, die Berge höher wurden, die Bäume dichter wuchsen und mehr Kiefern zu sehen waren.
In regelmäßigen Abständen hob Marcus seinen Arm, mit dem er ihre Taille hielt, um die Zügel in die andere Hand zu nehmen. Mit einer Vertrautheit, die den Eindruck vermittelte, er täte dies schon sein ganzes Leben lang, schlang er dann den anderen Arm um ihre Mitte. Merkwürdigerweise spürte sie genau die gleiche Vertrautheit.
Avalon nahm an, dass sie Sauveur innerhalb weniger Tage erreichten. Sie
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