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Sueße Prophezeiung

Sueße Prophezeiung

Titel: Sueße Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shana Abe
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wenn Hanoch nach Sauveur verschwand, war Avalon nicht in der Lage gewesen, Ian zu entkommen.
    Ian MacLochlan gehörte eigentlich nicht richtig zur Familie. Er war der Sohn eines Cousins dritten Grades eines Kincardines aus einem verbündeten Clan. Aber der wahre Grund, weshalb Hanoch ihn so bereitwillig akzeptiert hatte – sogar herzlich empfangen –, war, dass Ian auf eine Art und Weise kämpfte, gegen die niemand ankam. Und Ian wurde Avalons Lehrmeister.
    Er hatte nie erzählt, wo er jene seltsamen Griffe gelernt hatte. Man wusste nur, dass er lange außerhalb von Schottland gereist war und ferne Länder besucht hatte, deren Namen keiner aussprechen konnte. Viele behaupteten, er würde seine Geschichten erfinden. Sie meinten, Ian hätte einen leichten Stich und er sei nie weiter als bis nach England gekommen. Aber niemand konnte ihm seine Fähigkeiten bei einem Kampf Mann gegen Mann absprechen.
    Als das Kind Avalon ihn kennen lernte, war er grau und mürrisch. Und die Zeit hatte diese Eigenschaften noch verstärkt. Er war ein gnadenloser Lehrmeister gewesen. Auf seine Weise trat er genauso hart wie Hanoch auf; denn die beiden Männer hatten einen Pakt geschmiedet, dieses Mädchen zu ihrem eigenen Wunder zu machen. Aus einem sanften Kind wollten sie die Kriegsmaid meißeln, die die Leute brauchten.
    Ian war tot. Tatsächlich starb er bereits, kurz bevor sie Schottland verließ; deshalb wusste sie, dass es stimmte. Andernfalls wäre sie wohl jedes Mal zusammengezuckt, wenn sie eine Stimme gehört hätte, die der seinen ähnelte. Ian und Hanoch waren diejenigen gewesen, nach denen man hatte Ausschau halten müssen. Die Wächter wurden in regelmäßigen Abständen ausgewechselt, sodass sie nie eine engere Beziehung zu ihnen hatte aufbauen können. Die Köchin wohnte nicht im Cottage, sondern besaß eine eigene Hütte im Dorf und eine Familie, um die sie sich kümmern musste.
    Ihre einzig wahre Gefährtin war die Haushälterin namens Zeva. Unter all den Gesichtern, die sie so aufmerksam beobachteten, ähnelte keines Zevas. Vielleicht war sie auch schon tot.
    Nur Zeva brachte ihr je Mitgefühl entgegen. Wenn die Männer nicht da waren, öffnete sie insgeheim die Tür zum Besenschrank, um dem darin eingesperrten Kind Speisen und Wasser hineinzureichen. Nur Zeva hatte ein paar Tränen vergossen, als Avalon mit vierzehn ging. Sie hatte ihr alles Gute gewünscht und gehofft, sie bald wieder zu sehen.
    Doch die mittlerweile resignierte Avalon war nicht darauf eingegangen. Gleichgültigkeit stellte ihre wichtigste Verteidigung dar, und nicht einmal für Zeva würde sie sie wieder ablegen.
    Nein, Zeva war nicht da, weder auf der Wiese hinter ihr noch in der Menschenmenge ringsum.
    Sie wusste nicht recht, was sie fühlte. Hätte Zeva im Tal mit den anderen gelacht? Oder wäre sie im Gedenken an das kleine Mädchen mit den blau geschlagenen Augen und dem geschundenen Körper, das die Dunkelheit hasste, still geblieben? Vielleicht hatte nur Zeva sie je verstanden.
    Während sie zur Burg zurückging, die ihr Gefängnis war, grübelte Avalon über die Ironie des Schicksals nach, dass es ihr so lange gelungen war, ihre sorgfältig bewahrte Gelassenheit beizubehalten, um sie ausgerechnet bei Marcus Kincardine zu verlieren. Marcus Kincardine: der Mensch, bei dem sie ihren Panzer der Gleichgültigkeit am nötigsten brauchte, durchbrach ihn sozusagen mühelos.
    Ein Reiter galoppierte ihr auf der Straße nach Sauveur entgegen. Er war ein Kincardine; sein hinter ihm flatternder Tartan wies ihn eindeutig aus.
    Er brachte aufregende Nachrichten, und sein Anblick ließ aufs Neue ein sanftes Wogen durch die Menge gehen. Anhand der durcheinander wirbelnden Gedanken um sie herum erkannte Avalon, dass er einer der Kundschafter war. Wenn er so schnell auf die Burg zuritt, musste er eine dringende Meldung haben.
    Die sie betraf.
    Der Kundschafter war sich der Aufmerksamkeit aller bewusst, und ein Teil von ihm freute sich darüber, doch der Rest von ihm ermahnte ihn an seine Pflicht. Er musste den Laird finden, um ihm von der Gruppe von Männern zu berichten, die sich näherte.
    Die Chimäre blinzelte und ließ sie einen fernen Blick auf das werfen, was der Kundschafter gesehen hatte. Es waren zehn Reiter mit drei unterschiedlichen Bannern, darunter das von Malcolm selbst, das sie beschützen würde. Die anderen beiden Banner kannte der Kundschafter nicht, im Gegensatz zu Avalon. Das eine trug das Wappen von König Henry, das andere war das rote

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