Sueße Prophezeiung
geschaffen. Es passte genau zu ihr, auch wenn er es sich bloß ausgedacht hatte. Und es zeigte Wirkung – unglücklicherweise die falsche. Avalon wurde aus jener Stimmung gerissen, in der er sie haben wollte; sie erinnerte sich wieder daran, was im Tal vorgefallen war und in welcher Situation sie sich befand.
»Es ist nicht real«, betonte sie, während sie an ihm vorbei auf den Elf schaute.
»Warum nicht?«, fragte Marcus und folgte ihrem Blick. »Warum nicht, Lady Avalon? Es sind schon merkwürdigere Dinge passiert. Diese tragische Geschichte steckt immerhin auch voller Romantik, findet Ihr nicht auch? Das sorgt für den Ausgleich. Eine hochwohlgeborene Dame, die aus Liebe heiratet ...«
»Ja – und schaut, was es ihr gebracht hat«, stellte Avalon düster fest.
Sie traten den Rückweg über die Wiese an. »Richtig«, gab er zu. »Die Geschichte endete nicht gerade glücklich. Zumindest nicht für den Clan.«
»Für sie und ihren Laird auch nicht«, fügte sie hinzu, wobei ihr die Theorie des Zauberers über die Rückkehr in die jeweiligen Körper einfiel. Wenn das stimmte, waren der Laird und seine Gemahlin dann jetzt unter ihnen? Würden sie endlich ihr Glück behalten dürfen, wenn sie die Prüfungen bestanden?
Treulieb hatte der Laird seine tote Gemahlin genannt.
»Und was ist mit diesem Fluch, Mylord?«, unterbrach sie ihre eigenen Gedankengänge. »Euren Leuten mag es vielleicht nicht besonders gut gehen, aber ich würde nicht sagen, dass sie im Elend leben. Ich weiß sehr wohl, dass der Clan Kincardine Macht besitzt. Euch gehört das Ohr des Königs. Ihr habt Verbindungen zum Thron. Euer König Malcolm nahm sich ein volles Jahr, bis er vor Henry kapitulierte und in meine Rückkehr nach Hause einwilligte. Ein ganzes Jahr hat er gegen einen anderen König gekämpft, nur um Eurer Familie einen Gefallen zu tun. Das kann man doch nicht als Fluch bezeichnen.«
Abrupt hielt er sie mit einem Blick an, der sie wünschen ließ, ihre Worte zurücknehmen zu können.
»Glaubt Ihr, dass dies ein leichtes Leben ist, Avalon?«, fragte er mit zusammengekniffenen Augen. »Ist es das, was Ihr für Euch selbst wünscht? Es gibt kaum genug Essen für den Winter, kaum genug Wolle, um damit Handel zu treiben. Selbst Hanoch konnte kein Vermögen verwalten, das nicht existiert.«
»Nehmt meines«, drängte sie ihn erneut. Erst ärgerte sie sich, dann schämte sie sich über das Gefühl. Sie fühlte mit ihnen allen – mit den Wollsammlerinnen, den mageren Frauen, den stolzen Männern. Es tat ihr weh, dass sie so nah am Rande der Bedürftigkeit lebten. Sie hasste es, dass er eine so geringe Meinung von ihr hatte und auch noch dachte, sie würde es nicht bemerken. »Ich gebe es Euch freiwillig.«
»Wenn wir verheiratet sind, werde ich es annehmen.«
Am Fuße des zerschmetterten Körpers des Elfen verlor Avalon die Fassung.
»Ich kann Euch nicht heiraten!«, schrie sie. »Versteht Ihr das denn nicht? Ich kann nicht! Ihr bekommt alles – außer das!«
Schweigen senkte sich über die Anwesenden. Ein Rabe kreiste über ihnen, landete auf einem Baum und beobachtete sie mit zur Seite geneigtem Kopf.
Marcus begann zu lachen.
Zuerst war es nur ein leises, tiefes Kollern, das sich zu seinem unverwechselbaren Klang ausweitete und lauter und lauter wurde, bis andere mit einfielen und schließlich eine Woge der Heiterkeit sie davontrug.
Avalon spürte die Hitze in ihre Wangen steigen. Er lachte, weil er wirklich belustigt war. Das spürte sie deutlich. Und die anderen fielen aus Erleichterung in sein Lachen ein, weil der Laird das Temperament seiner eigensinnigen Braut so leicht abtat. Nun, einerseits war er selbst der Ausgeglichenere, anderseits nahm er ihre Haltung der Legende nach hin: In der hieß es nämlich, dass sie sich widersetzte, in die Familie einzuheiraten.
Sie marschierte in Richtung Sauveur davon, weil sie wusste, dass man sie aufhalten würde, wenn sie eine andere Richtung einschlüge. Für einen Tag hatte sie genügend Demütigungen einstecken müssen.
Er ließ sie gehen. Sie spürte seinen Blick den ganzen Weg über, während er fleißig weiterlachte.
Die Leute starrten sie an. Insbesondere bei den Frauen meinte sie einen Hauch von Mitgefühl zu erkennen. Einige der Gesichter waren ihr inzwischen vertraut.
Hanoch hatte den Haushalt des Cottages auf sehr wenige Personen begrenzt. Eine Verwalterin. Eine Köchin. Acht Männer, die sowohl als Diener als auch als Wächter fungierten. Und Ian, natürlich. Sogar
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