Sueße Prophezeiung
Tisch neben dem Bett. Dann ging sie noch einmal hin und brachte den Krug in Sicherheit. Mit einem letzten Blick auf ihn durchquerte Avalon sein Zimmer – seine Fenster blickten auf den Burghof und über herrliche Täler, die sich zu Hochlandgipfeln erhoben.
Obwohl sie keine Erinnerung daran hatte, wie sie in die Räumlichkeiten des Laird gekommen war, dauerte es doch nicht lange, bis sie einen vertrauten Gang fand, von dem aus sie in ihr eigenes Zimmer gelangte. Und alsbald sank auch sie in Morpheus’ Arme.
Avalon schlief. Ihr Haar rahmte sie von allen Seiten ein. Es lag neben ihr und unter ihr und schuf den Eindruck seidener Bettlaken. Diese wogende Pracht wies so ungewöhnliche Farbschattierungen auf, dass es schon unwirklich aussah – helles Elfenbein mit Weiß und Silber vermischten sich.
Das Licht der Morgendämmerung konnte ihre Schönheit nicht vertuschen, ihre fein gezeichneten dunklen Brauen, die üppigen, langen Wimpern, die auf ihren Wangen ruhten. Ihre Lippen waren leicht geöffnet. Marcus hasste es, sie zu wecken. Er hätte sich zurücklehnen mögen, um für immer in diesem Moment zu verharren. Doch er gewöhnte sich allmählich an dieses Gefühl, wenn die Zeit aus Hochachtung vor ihr stehen zu bleiben schien – ihr Antlitz ihm half, die einsamsten Stunden zu ertragen.
Doch der Tag brach an, und für das, was er vorhatte, mussten sie bald aufbrechen.
»Avalon«, flüsterte er und legte eine Hand auf ihre Schulter.
Ihre Stirn runzelte sich leicht, und sie schnaufte, doch rührte sich nicht.
»Avalon«, sagte er wieder, dieses Mal ein weniger lauter.
Wie eine Pantherin sprang sie unter der Decke hervor, griff nach seinem Arm und riss ihn herum, ehe er reagieren konnte. Er geriet ins Wanken.
»Avalon!«
Jetzt war ihr Haar sogar noch herrlicher als zuvor. Die üppigen Locken wallten herab, bedeckten seinen Arm und ihre Hand an der Stelle, wo sie ihn festhielt. Sie schaute zu ihm auf, und ihre Augen weiteten sich, als würde sie erst jetzt erkennen, wen sie vor sich hatte. Sein Arm kam frei, während sie ihre Schultern straffte und ihn anstarrte.
»Ihr solltet mich nicht so aufwecken.« Ihre Stimme war vom Schlaf noch heiser.
»Offensichtlich«, erwiderte er und rieb sich den Arm.
Verwirrt blickte sie um sich und dann wieder zu ihm. »Was macht Ihr überhaupt hier?«
»Ich komme mit einer Einladung«, erklärte er.
Ihr Augen wurden groß.
»Nicht so eine«, versetzte er eilig. »Eine Einladung zum Angeln!«
»Angeln?« Das leichte Stirnrunzeln erschien wieder. Ihre kämpferische Haltung wandelte sich in Unschlüssigkeit. Sie rieb sich mit einer Hand die Augen. »Jetzt?«
»Ja.«
»Nein, danke. Ich bin ziemlich müde. Letzte Nacht habe ich wenig geschlafen.«
»Ach, das macht doch nichts. Ihr seid aus hartem Holz geschnitzt.«
Dafür erntete er einen verstimmten Blick. »Verschwindet!«
»Es wird ein herrlicher Tag werden. Die Sonne geht bereits auf. Könnt Ihr es sehen? Zu dieser Zeit beißen die Fische am besten an.«
»Mylord, ich habe kein Interesse an beißenden Fischen. Alles, was ich jetzt will, ist schlafen.«
»Na gut!« Er trat einen Schritt zurück, wobei er seine Hände flehentlich hob. »Ich wollte wirklich nicht gezwungen sein, diese Karte auszuspielen, doch Ihr lasst mir keine Wahl.«
Ihr Argwohn kehrte zehnfach zurück, und die Kriegsmaid sah ihn scharf an. Sie wirkte nicht gefährlicher als ein Geschöpf aus einem Märchen, halb Wunsch, halb Traum – eine schwere Täuschung, wie er wusste.
»Ich wünsche mir dies als meine Gunst«, sagte er. »Ihr müsst mitkommen.«
»Was? Ich schulde Euch keine Gunst!«
Er warf ihr sein gewinnendstes Lächeln zu. »Ich glaube schon. Es wäre sehr unehrenhaft von Euch, sie mir zu verweigern.«
»So, wie Ihr mir meine verweigert habt?«, deutete sie trocken an.
»Aber wir wissen doch alle, dass Ihr viel mehr eine Lady seid als ich ein Gentleman. Deshalb müsst Ihr mitkommen.«
Da versuchte sich ein Lächeln durch ihre zusammengepressten Lippen zu stehlen.
»Ich kenne einen besonderen Platz«, lockte er. »Fische, die so groß sind wie ein Mensch.«
»Ein Mensch!«, konnte sie nicht an sich halten auszurufen. Das Lächeln verbreitete sich.
»Was Ihr nicht sagt!«
»Interessiert Euch das nicht?«
»Ich bin müde«, sagte sie und schüttelte den Kopf.
»Es wird Euch wach machen. Kommt doch bitte.«
Unwillkürlich veränderte sich der Klang seiner Stimme, wurde tiefer und verriet, dass er mehr von ihr wollte als das, was
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