Sueße Prophezeiung
schön.« Eine Art höflicher Gewohnheit ließ sie den Kuchen annehmen und auf seinen freundlichen Ton in gleicher Weise eingehen. Einen Moment kam ihr ihr Verhalten dumm vor; als sich ihre Finger berührten, grinste er sie mit seinem jungenhaften Lächeln offen an, und sie musste sein Lächeln erwidern.
Das Wasser, das über die Steine im Fluss rauschte, schuf zusammen mit dem Gesang der Vögel eine angenehme Stimmung.
Sie aßen beide schweigend, während sie am Ufer standen und aufs Wasser hinausblickten. Als er fertig war, ging Marcus zurück und griff nach einer der Angelruten. Dann holte er einen der Köder heraus, die er mitgebracht hatte. Neugierig beobachtete Avalon ihn dabei.
»Federn? Ihr glaubt, Ihr könnt Fische mit ein paar Federn und einer Leine fangen?«
Er schaute nicht auf, während er den merkwürdigen Gegenstand an der Leine befestigte.
»Wartet nur ab!«
Als er beide Angeln vorbereitet hatte, warfen sie sie aus. Die Strömung erfasste die Leinen und zog sie flussabwärts. Das auf der Wasseroberfläche glitzernde Sonnenlicht ließ die Leinen verschwinden.
Sie wusste nicht, wie lange sie so gestanden hatten; dann setzten sich beide, immer noch schweigend, auf die Decke. Doch als die Sonne höher stieg und den Himmel in ein strahlendes Blau verwandelte, musste sie ihm schließlich eine Frage stellen.
»Mylord?«
»Marcus«, korrigierte er sie.
Avalon beobachtete eine Libelle, die über diesen ruhigen Fluss flog und zu der sich schon bald eine andere in einem schwebenden Tanz gesellte.
»Marcus! Ich frage mich, ob Ihr wisst, was aus einer Frau Eures Clans geworden ist. Sie hieß Zeva.«
»Zeva.« Er schloss die Augen, um seine Erinnerung zu durchforsten. »Sie war die Haushälterin meines Vaters, nicht wahr?«
»Sie sorgte für den Haushalt in dem Dorf, wo ich lebte.«
»Soweit ich gehört habe, ist sie vor ungefähr drei Jahren gestorben.«
»Oh!« Avalon versuchte, ihre Enttäuschung bei seinen Worten in Zaum zu halten, obwohl sie diese Antwort erwartet hatte. Wenn Zeva noch am Leben gewesen wäre, hätte sie sich mittlerweile gemeldet.
»Warum?«, fragte Marcus.
Avalon zuckte resigniert die Schultern. »Ach, ich habe gerade wieder an sie gedacht. Sie war doch meine Freundin.«
Er warf ihr einen scharfen Blick zu. »Ich kann Einzelheiten herausfinden, wenn Ihr möchtet.«
»Nein, danke. Ich weiß genug.«
Zu viel Tod! Warum nur war ihre ganze Kindheit vom Sterben überschattet und warum waren alle, die ihr etwas bedeutet hatten, tot? Seither führte sie, fast wie Luedella, ein Außenseiterleben, das nirgendwo dazupasste.
Der Tag hatte etwas von seinem Glanz verloren, auch wenn dieser Flecken Erde genauso schön war wie zuvor. Avalon griff in die Falten an der Taille ihres Tartans und zog Hanochs Notiz heraus.
»Letzte Nacht habe ich etwas gefunden, das Euer Vater aufgeschrieben hat«, begann sie nun, während sie darauf starrte. Marcus hatte sie die ganze Zeit aufmerksam betrachtet, doch jetzt spürte sie, wie sein Blick schärfer und forschender wurde. Der Zettel fühlte sich trocken und alt zwischen ihren Fingerspitzen an. Er war einmal gefaltet, um die belastenden Worte zu verbergen. Ohne zu ihm zu schauen, hielt sie ihm den Zettel hin, damit er ihn nehmen konnte.
Schnell las er die Notiz und dann gleich noch einmal.
»Bryce«, sagte er, und seine Stimme bebte vor Zorn.
»Das nehme ich an«, nickte sie. »Die Frau, die ich damals in jener Nacht im Gasthaus von Trayleigh aufsuchte, behauptete das Gleiche. Dass Bryce die Pikten bezahlt hätte.«
»Warum habt Ihr mir das nicht schon früher mitgeteilt?«
Sie legte ihre Angel hin und stützte sich mit beiden Händen hinten im Gras ab. »Offen gestanden, fand ich, dass es Euch nichts angeht.«
Er sagte erst einmal nichts. »Und jetzt?«
Avalon seufzte. »Jetzt würde ich doch ganz gern Eure Meinung dazu hören.«
Marcus kniff die Augen zusammen, während er in ihr wie in einem offenen Buch las. »Was? Habt Ihr etwa geplant, allein an Bryce Rache zu üben? Ist es das? Habt Ihr es mir deshalb vorenthalten?«
Sie schaute ihn offen an. »Natürlich war das mein Plan. So eine Tat kann ich nicht ungeahndet lassen.«
»Nein.« Er las die Notiz noch einmal. »Ich verstehe.«
»Schön.«
»Aber eigentlich wird Bryce nicht namentlich dafür verantwortlich gemacht. Die Notiz nennt nur den Namen Eurer Familie.«
»Da liegt der Haken an der Sache. Und bezahlt wurde mit französischem Geld.«
»Warner d’Farouche hat fast
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