Süße Rache: Roman (German Edition)
danach in regelmäßigen Abständen auf ihrem neuen Konto nach, ob der Betrag schon gutgeschrieben war. Sobald der Barscheck per Einschreiben zu dem Kinderkrankenhaus unterwegs war, fühlte sie sich, als wäre ihr eine tonnenschwere Last von den Schultern genommen worden. Das Geld hatte sie von dem Augenblick an, in dem sie es gestohlen hatte, nichts als Nerven gekostet, was wahrscheinlich nur gerecht war.
In ihre Erleichterung mischte sich jedoch ein leises Bedauern. Zu dumm, dass sie es nicht behalten konnte, denn insgeheim wäre sie wirklich gern reich gewesen, selbst wenn das Geld gestohlen war – gestohlen und schmutzig. Vielleicht würden ihr ein paar Extrapunkte dafür gutgeschrieben, dass sie ihren inneren Schweinehund niedergerungen und darauf verzichtet hatte. Tugendhaft zu bleiben, kostete genauso viele Nerven wie das Geld.
Aber jetzt war das Geld weg, und sie konnte sich dem nächsten Punkt auf ihrer Liste zuwenden. Sie hatte kaum
noch Bargeld, und weil sie dringend welches brauchte, war es an der Zeit, den Schmuck zu verkaufen, den Rafael ihr geschenkt hatte.
Sie holte das Telefonbuch heraus und begann nach einem Schmuckhändler zu suchen. Natürlich konnte sie die Stücke auch versetzen, aber damit würde sie nur einen Bruchteil des Wertes erzielen, und der Pfandleiher würde das Geschäft seines Lebens machen, weil sie kein Interesse hatte, auch nur ein Stück wieder auszulösen. Sie musste den Schmuck verkaufen, und sie hatte nicht die Zeit, ihn bei eBay zu versteigern.
Seit sie ihren Entschluss gefasst hatte, konnte sie es kaum erwarten, nach New York zu fliegen und den Plan ins Rollen zu bringen. Es war höchste Zeit.
Eine Woche später buchte sie mit dem Geld auf ihrem Konto – leider nicht so viel, wie sie erhofft hatte – und ihrer neu ausgestellten Kreditkarte für den Folgetag einen Flug nach New York und begann für den Fall, dass sie nicht mehr zurückkam, die Doppelhaushälfte aufzuräumen.
Sie putzte den Kühlschrank und warf alle verderblichen Lebensmittel im Haus weg. Falls sie nicht zurückkam, sollte dem Vermieter kein überwältigender Fäulnisgestank entgegenschlagen, wenn er in einem Monat die Tür öffnete. Sie wischte, bohnerte, fegte und versuchte, nicht zu weinen. Die billigen Gebrauchtmöbel, die sie gekauft hatte, um die Wohnung einzurichten, waren kein besonders attraktiver Anblick, und die Wohnung gehörte ihr nicht selbst, aber die Doppelhaushälfte war trotzdem ihre erste eigene Wohnung. Hier bestimmte sie; sie hatte alles ausgesucht, was darin stand, von dem billigen Kochgeschirr bis zu der Chenille-Tagesdecke. Die Lampe im Wohnzimmer hatte sie für fünf Dollar auf einem Flohmarkt erstanden,
die weiche Decke über der Sofalehne für nur einen Dollar auf einem anderen Markt. Der Duft des Raumsprays war ihr Lieblingsduft, die Seife war ihre Lieblingsseife.
Sie packte alle ihre Kleider ein. Viel besaß sie nicht; die ganze Kleidung passte in zwei Koffer, und zwar mitsamt ihrem geringen Bestand an Make-up. Sie hatte es genossen, sich kaum zu schminken und sich nicht darum zu kümmern, ob jemand sie sah, wenn sie nicht aufgeputzt und schwer behängt war. Die letzten Reste der Dauerwelle waren längst aus ihrem Haar herausgewachsen, das sie seither dunkel trug. Sie wollte nicht wieder erblonden; Drea war blond gewesen; Andie hatte nüchternes braunes Haar.
Nachdem alle Zimmer geputzt und die Koffer gepackt waren, hatte sie noch zwei Dinge zu erledigen. Erst fuhr sie in eine riesige Mall, in der es einen Perückenladen gab. Sie müsste sich wieder in Drea verwandeln, um Rafael auf sich aufmerksam zu machen, aber sie wollte dieses Aussehen jederzeit abstreifen können, um zu jemandem zu werden, an dem er achtlos vorüberging.
Es gab keine Perücken, die ihrer früheren Frisur entsprochen hätten. Sie entschied sich für eine, die dem wenigstens nahekam: etwas länger, nicht ganz so gelockt, und eher platinblond als goldblond gefärbt, aber sie würde ihren Zweck erfüllen.
Die letzte Besorgung diente ebenfalls der Tarnung, aber in anderer Hinsicht. Nur für den Fall, dass Simon sie noch beobachtete, fuhr sie zu ihrem üblichen Supermarkt und kaufte Konserven ein. Die Lebensmitteleinkäufe würden ihn hoffentlich überzeugen, dass sie hier bleiben wollte. Außerdem hätte sie etwas zu essen zu Hause, falls sie tatsächlich in ihr Reihenhaus zurückkehren sollte.
Am nächsten Morgen fuhr sie zum Flughafen, stellte
den Explorer auf dem Parkplatz für Dauerparker
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