Süße Rache: Roman (German Edition)
sehr genau hinsehen, um die Ähnlichkeiten zwischen Dreas Gesicht und ihrem zu erkennen.
»Ich werde das Geld an das St. Jude’s spenden«, erklärte
sie wie betäubt. »Ich habe ein Bankkonto hier. Ich wollte das Geld online hierher überweisen und dann auf die Bank gehen, um die Summe mit einem Barscheck zu spenden. Die IP-Adresse würde zwar nicht mehr stimmen, aber ich habe das Passwort und …« Ihre Stimme versagte. Sie plapperte nur noch vor sich hin, ohne darauf zu achten, was sie sagte. Er kannte sich bestimmt mit IP-Adressen und Onlineüberweisungen aus, obwohl er sein Konto mit Sicherheit ins Ausland verlegt hatte. Wahrscheinlich ließe sich die Überweisung problemlos veranlassen, außerdem hatte sie mit dem Gedanken gespielt, Mrs Pearson anzurufen, um sie vorzuwarnen. Indem Simon ihr den alten Führerschein zurückgab, hatte er sichergestellt, dass sie das Geld nach Belieben verwenden konnte, selbst wenn Mrs Pearson nicht mehr in der Bank arbeiten sollte.
»Danke«, flüsterte sie und presste den Führerschein an ihre Brust, obwohl sie das Foto darauf nie wieder sehen wollte. »Warum hast du ihn behalten?«
Offenbar war die Fragestunde beendet, seit sie das Restaurant verlassen hatte, denn er gab ihr keine Antwort. Stattdessen sagte er: »Ich will meinen Flug nicht verpassen«, und ließ sie auf der Veranda stehen. Sie schaute ihm nach, bis sein Wagen nicht mehr zu sehen war, ging dann ins Haus und setzte sich auf die Couch, wo sie über die letzten zwei Stunden nachdachte.
Er wollte seinen Flug nicht verpassen, von wegen. Sie hatte ihm das keine Sekunde lang abgekauft.
Seither hatte sie ihn nicht mehr gesehen, aber sie wusste aus Erfahrung, dass das nichts zu bedeuten hatte. Er war irgendwo dort draußen, und er behielt sie im Auge. Er wollte sich nicht darauf verlassen, dass sie nicht das Weite suchte, obwohl er alles getan hatte, um ihr zu versichern, dass sie keine Angst zu haben brauchte.
In dieser Hinsicht zumindest glaubte Andie ihm. Sie war in Sicherheit. Sie konnte ihr Leben so führen, wie es ihr gefiel, sie brauchte nicht mehr zu befürchten, dass jemand sie verfolgte, sie konnte tun und lassen, was sie wollte, auch wenn es vielleicht klug gewesen wäre, New York zu meiden, bis Rafael gestorben oder verhaftet worden war. Die Chancen, in einer so großen Stadt einem bekannten Gesicht zu begegnen, waren zwar winzig, aber bisweilen geschahen die merkwürdigsten Dinge; dafür war sie der lebende Beweis.
Ganz offenkundig war sie nicht klug, denn sie hatte nichts anderes vor, als nach New York zurückzukehren. Erst allerdings musste sie ihrem selbst ernannten Leibwächter entwischen.
Am ehesten konnte sie ihn überzeugen, dass sie hierbleiben wollte, indem sie zu Glenn zurückkehrte und ihn um ihren alten Job bat, den er ihr bestimmt gern wiedergegeben hätte. Leider konnte sie genau das nicht tun, weil sie auf jeden Fall innerhalb der nächsten Tage verschwinden würde und sie Glenn nicht so täuschen wollte.
Stattdessen konzentrierte sie sich darauf, ihre Angelegenheiten zu regeln. Sie rief Mrs Pearson an, die sich zutiefst erleichtert anhörte. Sie hatte sich schon Sorgen gemacht, weil es keine Kontobewegungen mehr gegeben hatte, seit sie Andie das letzte Mal gesehen hatte, und alle E-Mails unbeantwortet geblieben waren; sie hatte schon befürchtet, ihr könnte etwas zugestoßen sein. Es war ihr etwas zugestoßen, doch Andie ließ sich nicht weiter darüber aus. Stattdessen versicherte sie Mrs Pearson, dass alles in Ordnung war. Sie plauderten ein paar Minuten, und irgendwann meinte sich Andie zu erinnern, dass Mrs Pearson ihr erzählt hatte, ihre Enkelin würde in ein paar Monaten zur Welt kommen. Als sie jedoch sagte: »Herzlichen
Glückwunsch zu ihrer Enkelin«, schnappte Mrs Pearson nach Luft.
»Woher wussten sie, dass ich bald Großmutter werde?«
»Das haben Sie mir doch erzählt«, antwortete Andie leicht verunsichert. »Oder nicht?«
»Nein, das hatte ich nicht erwähnt. Wir werden erst nächsten Monat erfahren, ob es ein Mädchen oder ein Junge wird.«
»Ach, ich hätte schwören können -« Sie verstummte und versuchte, ihren Schnitzer zu überspielen, weil sie sich eine Erklärung sparen wollte. »Ach nein, jetzt fällt mir wieder ein, wer mir erzählt hat, dass ein Enkelkind unterwegs ist. Entschuldigen Sie, ich bin heute Morgen ein bisschen zerstreut. Ich brauche wohl noch einen Kaffee.«
Nachdem sie aufgelegt hatte, schickte sie die Onlineüberweisung ab und sah
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