Süße Rache: Roman (German Edition)
Kontrollen und Sicherheitschecks im Federal Plaza vor. Sie erhielt einen Besucherausweis und eine persönliche Eskorte, bekam gezeigt, wo sie warten musste, und wurde schließlich in ein kleines Büro gerufen. Special Agent Rick Cotton
erhob sich, als sie eintrat, und ergriff ihre ausgestreckte Hand. Er hatte einen angenehmen, festen Händedruck, nicht schmerzhaft und nicht zu schlaff, aber ansonsten war auf den ersten Blick nichts Spezielles an ihm.
Er war zwischen vierzig und fünfzig und halb ergraut, allerdings immer noch durchtrainiert, sein Gesicht wirkte ruhig und milde. So wie seine Kollegen ihn behandelten, hatte sie den Eindruck, dass man ihn mochte, aber er versprühte kein Elektrizität, die angezeigt hätte, dass er ein Vordenker und Anführer war. Sie wusste, wie sich diese Elektrizität anfühlte, sie hatte sie im letzten Sommer einen Nachmittag lang aus nächster Nähe gespürt. Simons kraftvolle Persönlichkeit dominierte jeden Raum, den er betrat, wohingegen man von Rick Cotton kaum Notiz nahm.
»Bitte setzen Sie sich, Ms Pearson.« Agent Cotton deutete auf einen abgewetzten Besucherstuhl. »Sie haben Informationen über einen gewissen Rafael Salinas, wenn ich Ihre Nachricht richtig verstanden habe?«
Falls er die Karten noch dichter an die Brust nahm, dachte Andie, könnte er selbst nicht mehr hineinsehen. Er wollte, dass sie ihr Blatt zuerst ausspielte, sie hatte damit kein Problem.
»Ich heiße nicht wirklich Pearson«, sagte Andie. »Sondern Andrea Butts. Zeitweise habe ich den Namen Drea Rousseau angenommen, ich habe zwei Jahre lang mit Rafael Salinas zusammengelebt.«
Sie sah den Schock in seinen Augen, dann hatte er seine Miene wieder unter Kontrolle. Er betrachtete sie blinzelnd. »Damals hatte ich lange blonde Locken«, ergänzte sie hilfsbereit.
Er sagte: »Einen Moment bitte«, griff nach seinem Telefon und wählte eine Nebenstellennummer. Dann sagte
er: »Drea Rousseau sitzt in meinem Büro«, und legte wieder auf.
Er wartete schweigend, so wie sie auch. Sie hatte ehrlich gesagt keine Ahnung, ob sie dem FBI irgendwie nützlich sein konnte oder umgekehrt, aber hier anzufangen war nur logisch. Wenn sie sich als Köder anbieten wollte, brauchte sie jemanden, der die Falle bewachte, sonst war der Köder nichts als ein kleiner Imbiss. Vielleicht könnte sie Rafael nicht zu Fall bringen; aber immerhin hätte sie es versucht.
Ein Mann mit sandblondem Haar öffnete die Tür und trat ein. »Ms Rousseau«, sagte er, »ich bin Special Agent Brian Hulsey; inzwischen leite ich die Ermittlungen gegen Rafael Salinas. Würden Sie bitte in mein Büro kommen?«
Andie stutzte und studierte ihn mit leicht zur Seite geneigtem Kopf. Er hatte nicht angeklopft, bevor er das Büro von Agent Cotton betreten hatte, und ihr war aufgestoßen, wie er das »ich« betont hatte, was völlig überflüssig war, es sei denn, er wollte den Agenten, der die Ermittlungen zuvor geleitet hatte, abqualifizieren. Ein Firmenpolitiker, vermutete sie, mit einer satten Portion Ego und Machtinstinkt. Agent Cotton hingegen wirkte nachsichtig und gelassen. Kein aufgeblasenes Ego und Macht interessierte ihn nicht.
»Nein.« Sie dehnte das Wort in die Länge, während sie ihre Entscheidung fällte. »Ich spreche lieber mit Special Agent Cotton.«
Special Agent Hulsey sagte: »Sie verstehen nicht. Agent Cotton leitet nicht mehr -«
»Ich verstehe sehr wohl«, erwiderte sie deutlich kühler. »Englisch ist meine Muttersprache, die meisten Worte sind mir vertraut.« Englisch war auch ihre einzige Sprache, aber das brauchte er nicht zu wissen.
Er wurde rot. »Bitte entschuldigen Sie. Ich wollte damit nicht andeuten -«
»Dass ich dumm bin? Schon okay. Den Fehler machen viele Männer.« Sie schenkte ihm ein süßes Lächeln, bei dem ihm, hätte er genauer hingesehen, das Blut in den Adern gefroren wäre. »Wie zum Beispiel Rafael Salinas.«
»Ich versichere Ihnen, Ms Rousseau -«
»Butts«, korrigierte sie mit besonderer Betonung auf den Konsonanten. »Ich heiße eigentlich Andrea Butts. Ich dachte, das wüssten Sie.«
»Natürlich weiß ich -«
Sie hatte ihn noch keinen Satz ausreden lassen, seit er das Büro betreten hatte, und sah keinen Grund, das jetzt zu ändern. »Special Agent Cotton«, sagte sie fest. »Oder niemanden. Sie haben die Wahl.«
Da hatte er den Salat. Entweder trat er die Leitung der Ermittlungen an Special Agent Cotton ab, oder er wäre dafür verantwortlich, dass die Kontaktperson absprang, die
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