Süße Rache: Roman (German Edition)
geschehen war, aber ihre Entschuldigung schien zu wirken, denn die Frau sagte: »Ich werde sehen, was ich machen kann. Ich bin gleich wieder da.«
Während die Frau in einem Büro verschwand, überlegte
Drea fieberhaft. Was nutzte ihr ein Barscheck über hunderttausend Dollar? Damit konnte sie nur ein weiteres Konto eröffnen. Sie brauchte Bargeld, Bargeld, das nicht zurückverfolgt werden konnte.
Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass die Zeit bis zu ihrem Friseurtermin knapp wurde. Sie konnte den Termin sausen lassen und ihre Haare später schneiden lassen, aber sie wollte ihr Aussehen verändern, bevor sie ein Auto kaufte. Vielleicht konnte sie eine größere Summe mitnehmen, wenn sie der Bank Zeit ließ und nach dem Friseurtermin noch einmal herkam, aber dann würde die Bankangestellte sehen, dass sie einen neuen Haarschnitt hatte, das würde es Rafael einfacher machen, ihr zu folgen.
So lief das nicht. Sie würde ihre Pläne umwerfen müssen. Okay, vielleicht würde sie der Bank mehr Zeit lassen, das Geld zu besorgen, vielleicht sogar einen ganzen Tag – oh Gott, was für ein Risiko würde sie eingehen, wenn sie noch einen Tag in Elizabeth blieb?
Ein unannehmbares Risiko, entschied sie. Sie musste noch heute verschwinden.
Allerdings hatte sie kaum noch Bargeld übrig, also brauchte sie zumindest etwas Geld und zwar sofort. Die ganzen Hunderttausend würde sie nicht brauchen; zwanzigtausend würden ausreichen, wenn sie den Rest als Barscheck ausgehändigt bekam. Mit zehntausend konnte sie sich einen Wagen zulegen, der sie einigermaßen zuverlässig nach Kansas bringen würde, der Rest würde locker ausreichen, um für Motelzimmer und Essen zu bezahlen. Wie lange würde sie überhaupt brauchen, um nach Kansas zu kommen? Zwei Tage? Drei? Ihr würde mehr als genug Geld übrig bleiben.
Die Bankangestellte kam aus dem Büro, Drea konnte ihr an den Stirnfalten ansehen, dass sie die Hunderttausend
auf keinen Fall bar mitnehmen konnte. »Es tut mir leid«, setzte sie an, aber Drea schüttelte schon den Kopf.
»Nicht so schlimm. Wie wäre es mit zwanzigtausend bar oder auch nur fünfzehn und einem Barscheck über den Rest? Das ist mehr als genug. Ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe; ich will ganz bestimmt nicht mit so viel Geld reisen.«
Die Miene der Angestellten hellte sich auf. »Ich weiß, dass wir Ihnen auf jeden Fall fünfzehn auszahlen können, aber ich könnte auch wegen zwanzig nachsehen.«
Die Zeit wurde allmählich knapp. »Ich habe Sie schon zu lange in Anspruch genommen«, wehrte Drea ab. »Fünfzehn sind wunderbar.«
»Ganz bestimmt? Es dauert nur eine Minute.«
»Danke, ich möchte Ihnen keine Umstände machen.«
Schließlich bekam sie ihre Fünfzehntausend in einhundertfünfzig Hundertdollarscheinen und dazu einen Barscheck über den Rest des Betrages. Der Geldstapel war überraschend dick, insofern war sie fast froh, dass sie nicht die gesamte Summe bar ausbezahlt bekommen hatte. Sie hätte sonst einen kleinen Koffer für das Geld kaufen müssen, und das wäre ziemlich auffällig gewesen. Die Fünfzehntausend passten wenigstens in ihre Tasche.
Sie musste noch ein paar Formulare unterschreiben, dann war das Konto aufgelöst. »Vielen Dank noch mal«, sagte sie, sah kurz auf die Uhr und eilte aus der Bank.
Sie kam fast zwanzig Minuten zu spät zu ihrem Termin, und der Stylist war sichtlich angesäuert, doch seine finstere Miene hellte sich augenblicklich auf, als sie auf ihre langen, dichten Korkenzieherlocken deutete und sagte: »Die sollen weg, ich möchte lieber etwas Glattes, Dunkles.« Wie die meisten Stylisten war er ganz wild darauf,
alte Zöpfe abzuschneiden und einen neuen Stil auszuprobieren.
Anderthalb Stunden später spazierte sie als Brünette aus dem Salon, mit fransig geschnittenen Haaren, die oben leicht abstanden. Sie sah rattenscharf aus, der Schnitt gefiel ihr wirklich gut. Ihr ganzes Gesicht wirkte verändert, energischer, kantiger. Sie war nicht mehr Drea Rousseau, sie war eine neue Persönlichkeit, eine Frau, der niemand auf der Nase rumtanzen durfte.
Sie musste sich einen neuen Namen zulegen, einen Namen, der zu ihrem neuen Selbst passte. Irgendwann würde sie sich auch einen neuen Führerschein besorgen, aber darum konnte sie sich später kümmern. Im Moment brauchte sie vor allem ein Auto.
Gute fünf Stunden später war sie auf dem Weg nach Westen und schon in Pennsylvania. Sie saß in einem kastanienbraunen, nicht mehr ganz taufrischen Toyota
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