Süsse Sehnsucht Tod
runzelte die Stirn, weil ich über etwas nachdenken wollte. Suko ließ mich in Ruhe und wartete, bis in meinem Gehirn der Faden wieder geknüpft war. »Ja, da war etwas«, sagte ich leise. »Die Wohnung war zwar dunkel, und ich habe nie die Einzelheiten so klar aufnehmen können, aber ich erinnere mich, daß auf einem Wandregal ein eingerahmtes Foto stand. Darauf sind mehrere Personen abgebildet. Deshalb gehe ich davon aus, daß wir auf dem Foto auch Freundinnen finden werden.«
»Namen wären mir lieber.«
Ich winkte ab. »Die kriegen wir auch noch raus, darauf kannst du dich verlassen.« Schlagartig war meine Traurigkeit vorbei. Ich schlug mit der Faust auf den Schreibtisch. »Wann willst du einziehen, Suko?«
»Noch heute.«
»Okay!«
***
Iris Cramer gehörte zu den jungen Frauen, die sich als Single bezeichneten, zwar gern allein lebten, sich ab und zu einen Partner suchten, ihn auch fanden, sich aber vor längeren Bindungen drückten, um keine Verantwortung übernehmen zu müssen, denn das Alltagsgesicht eines Menschen unterscheidet sich bekanntlich von dem, das er an einem Wochenende aufsetzt. Sie hatte Freunde und auch Kolleginnen, auf die sie sich verlassen konnte, wenn mal Not an der Frau war, aber in dieser kleinen Bude mit einem Kerl zusammenzuleben, das kam für sie nicht in Frage. Es sei denn, ihr lief der Traumprinz über den Weg. Allerdings war sie schon dreißig.
Für Iris war dieser Geburtstag wenig feierlich gewesen. Sie nahm ihn als einen Einschnitt in ihrem Leben hin, diese Dreißig war schon eine magische Zahl.
Sie mußte etwas tun.
Zunächst hatte sie Urlaub genommen. Eine Woche, und die wollte sie in London verbringen. Nicht in die Karibik fliegen, um sich dort in einem dieser Lusthotels von einem dunkelhäutigen Lover beglücken zu lassen, nein, einfach nur Ruhe haben, an sich denken und mal etwas anderes ausprobieren.
Dazu hatte ihr Mandy Alwood geraten.
Mandy, die Tänzerin, die verträumte Person, die fast in einer Märchenwelt lebte, denn sie war Künstlerin durch und durch. Iris hatte darüber zu Anfang gelächelt, denn sie arbeitete in einer Computer-Firma, wo wirklich alles technisiert und auch steril war. Da waren ihr diese Märchenwelten einfach fremd. Und durch ihren Job fand sie auch nicht mehr so richtig den Zugang dazu.
Hatte sie gedacht.
Aber Mandy hatte nicht aufgegeben. In langen Gesprächen, die sich manchmal bis tief in die Nacht hinzogen, hatten die beiden über Dinge gesprochen, die Iris früher lächerlich vorgekommen waren. Bei genauerem Nachdenken allerdings kamen sie ihr doch nicht so lächerlich vor.
Da gab es noch etwas außer der sichtbaren und dreidimensionalen Welt.
Und Mandy war von Beginn an davon überzeugt gewesen, ein Tor zum Jenseits zu finden. Sie hatte schrecklich viel darüber gelesen und sich irgendwann ein altes Radio besorgt, um die Stimme der Toten auch hören zu können. Iris wollte nicht, sie hatte gelacht, sich aber breitschlagen lassen, eine derartige Sitzung mal mitzumachen, und sie erinnerte sich noch sehr genau an diesen Abend, als sie zum erstenmal eine Zeugin gewesen war. Es war an einem Samstag gewesen. Es hatte geregnet. Das Zimmer lag im Kerzenlicht, und jeden Augenblick drohte etwas zu passieren.
»Tu nichts!« hatte ihr Mandy geraten. »Bleib einfach nur sitzen, und konzentriere dich auf das Radio.«
So war es geschehen. Iris, die auch erschienen war, um sich zu amüsieren, weil sie die Sprüche einfach nicht hatte ernst nehmen können und wollen, kam nicht darum herum, ihre Meinung zu ändern.
Auch sie konnte dieser anderen Atmosphäre nicht entwischen, und auch Tage später noch hatte sie darüber gegrübelt.
Es war ein sich Bewegen, ein Surfen zwischen der Realität und einer Traumwelt gewesen. Dazu hatte auch das Rauschen des Senders mit beigetragen, ein Geräusch, das gegen sie schwebte, das sie einlullte.
Und sie hatte die Stimme vernommen. Deutlich – über dem leisen Rauschen schwebend. Es war für sie nicht zu hören gewesen, ob eine Männer- oder Frauenstimme sprach, aber die hatte von ihrer Freundin Mandy eine Antwort erhalten.
Es war ein Mann.
Ein Toter – ein Mörder!
Einer, der viele Menschen umgebracht hatte und zum Tod durch den elektrischen Stuhl verurteilt worden war.
Er war tot, er hockte im Jenseits, und von dort genau hatte er sich gemeldet.
Iris Cramer war fasziniert gewesen. Sie hatte sich regelrecht einlullen lassen und sich der geheimnisvollen Stimme hingegeben. Obwohl sie sich
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