Süsse Sehnsucht Tod
Die Spannung war fühlbar.
Meine Kehle kam mir ausgetrocknet vor, deshalb griff ich zum Wasserglas und trank einige Schlucke.
Mandy Alwood blieb ruhig. Sie sah aus wie jemand, der schläft, aber sie schlief nicht. Nach wie vor hielt sie Augenkontakt mit dem alten Radio, dem Verstärker für die Geisterstimmen.
Einmal erschreckte ich mich, weil ich außerhalb der Wohnung ein lautes Niesen hörte. Es wurde schnell wieder still, und ich gewöhnte mich an die Umgebung.
Dumpfe Luft umgab uns. Hin und wieder schien sie zu knistern. Oder bildete ich mir das nur ein? Ich setzte mich aufrecht hin, drehte den Kopf und ließ meine Blicke durch den schattigen Raum wandern. Es war nicht zu erkennen.
Einen sichtbaren Grund für das Knistern gab es nicht. Plötzlich bewegte sich Mandy.
So schnell, daß sie regelrecht hochzuckte. Wie jemand, der aus einem schlimmen Traum urplötzlich in den Wachzustand gerissen wird. Sie stöhnte dabei auf, blickte in die Runde und sah mich an.
Ich wollte sie etwas fragen. Mandy kam mir zuvor, denn sie schüttelte den Kopf, deutete zum Radio hin, richtete ihre Augen wieder auf den alten Kasten und fragte mit leiser, aber für mich durchaus hörbarer Stimme: »Bist du da?«
Keine Antwort. Nur das Rauschen blieb.
»Bist du da? Melde dich bitte!«
Dann hörte ich die Antwort. »Hallo, Mandy, ich bin es wieder…«
***
Ich konnte nicht vermeiden, daß sich auch auf meinen Rücken ein Schauer legte, denn die Stimme hatte ich mir nicht eingebildet. Sie war tatsächlich zu hören gewesen, und sie hatte das Rauschen überlagert.
Die Frau neben mir zeigte keine Entspannung mehr. Sie war aufgeregt.
Ihre Hände zuckten. Sie rieb über die Hosenbeine hinweg, und sie starrte nach vorn. Ich sah das Profil ihres Gesichts wie einen Scherenschnitt neben mir und sah auch, daß sie nickte. Sehen konnte der Frager sie bestimmt nicht, aber Mandy machte sich nichts draus. Sie war eben mit Leib und Seele dabei.
»Ja, ich bin wieder da.«
»Schön!«
Es war eine menschliche Stimme – okay, und ich hatte mich auch auf die Antwort schon vorher konzentriert. Der Sprecher hatte mich nicht im Stich gelassen, aber der Klang dieser Stimme war sehr ungewöhnlich.
Schrill, als stünde die Stimme dicht vor dem Überkippen. Und dabei hatte sie noch geflüstert.
»Wie geht es dir, Mandy?«
»Gut – jetzt.«
»Hast du auf mich gewartet?«
»Ja.«
»Ich auch auf dich.«
»Etwas stört mich, Mandy. Ich spüre es. Etwas ist anders als sonst. Ich fühle mich unwohl.«
»Kannst du mich sehen?« flüsterte sie in Richtung Radio.
»Nein…«
»Ich habe Besuch.«
»Besuch? Warum? Wer ist es?«
»Ein Freund.«
»Was will er?«
»Hören!«
»Ich mag ihn nicht.«
»Du brauchst ihn ja nicht zu mögen, aber…«
Diesmal ließ die Stimme Mandy Alwood nicht ausreden. »Er soll gehen, hörst du? Er soll verschwinden. Ich will ihn nicht in deiner Nähe wissen.«
»Aber er ist ein Freund.«
»Trotzdem!«
»Er will wissen, wer du bist.«
»Hast du ihm das nicht erzählt?«
Mandy verzog das Gesicht und tat, als würde sie sich quälen. »Doch, ich habe ihm deinen Namen genannt, aber er kann es nicht glauben, verstehst du?«
»Was kann er nicht glauben?« wisperte die Jenseitsstimme.
»Daß du schon so lange tot bist. Er meinte, du wärst längst in anderen Sphären verschwunden, wo kein Kontakt mit uns Menschen mehr möglich ist. Hat er gesagt.«
Mandy machte das wirklich geschickt. Sie lockte ihn aus der Reserve.
»Er irrt.«
»Sag es ihm.«
»Ich spreche ihn nicht direkt an!« wisperte es aus dem Lautsprecher.
»Ich sage nur, daß ich Ed Greene bin und daß man mich damals auf dem Stuhl gebraten hat.« Diesmal zeigte er noch eine andere Reaktion, denn er fing an zu kichern, was sich zwar anders anhörte als bei uns Menschen, im Prinzip aber das gleiche war. »Ja, man hat mich gebraten. Man hat mich als Massenmörder hingerichtet, und ich bin es auch gewesen. Ich habe sie alle fertiggemacht, denn ich liebe es, die Menschen sterben zu sehen. Es war wunderbar. Ich liebe den Tod, ich liebe alles, was mit dem Jenseits zusammenhängt.«
Ich stieß Mandy Alwood an. »Frag ihn doch, wo er sich jetzt aufhält. Tu es bitte.«
»He, Eddy…«
»Ja!«
»Wo bist du jetzt?«
»Nicht mehr bei euch. Aber mir geht es gut. Alle haben gedacht, ich käme in die Hölle. Noch kurz vor meiner Hinrichtung haben mich die Zeugen verflucht und in die Hölle gewünscht, aber mir geht es gut, sehr gut. Ich habe hier viele Freunde
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