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Süße Teilchen: Roman (German Edition)

Süße Teilchen: Roman (German Edition)

Titel: Süße Teilchen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Newman
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verschlossen. James reicht mir das Nudelholz, mit dem ich auf den Beutelinhalt schlage, bis nur noch winzige Stücke davon übrig sind.
    »Ich glaube, ich muss mich benehmen«, sagt James. »Deine Schlagkraft ist nicht von Pappe.«
    »Das liegt an der Wut, die ich jahrelang unterdrücken musste, du kennst ja meine Mutter nicht.«
    »Keine Sorge, Chef, ich mach alles, was Sie wollen.«
    »Sind die noch nicht fertig?« James späht durch die Glasscheibe in den Ofen. »Die riechen schon ziemlich gut.«
    »Aber sie brauchen noch einen Moment. Wie sehen sie aus? Sind sie oben hellbraun?«
    »Ja, die kann man schon essen.«
    »Nein, dazu müssen sie erst abkühlen. Denk an die Buttermenge im Teig. Wenn man sie jetzt anhebt, zerfallen sie.«
    »Aber rausnehmen kann ich sie doch, oder?«
    Um zu verhindern, dass James die heißen Kekse isst, überrede ich ihn zu einem kleinen Gang an der frischen Luft. Wir drehen zwei Runden um den Block. Danach macht James kehrt und sprintet zurück. Ich laufe ihm nach. Als wir auf einer Höhe sind, sind wir beide außer Atem und überlegen laut, was wir beim nächsten Mal in den Keksteig geben könnten. Speckschwarten fallen uns ein, Teebeutel, der Inhalt von James’ Fertigsuppenterrinen.
    Zu guter Letzt nimmt er mich Huckepack und trägt mich zurück.
    In meiner Wohnung laufe ich rasch ins Bad. Als ich die Küche betrete, ist James bei seinem dritten Keks.
    »Lass noch ein paar für Devron übrig.«
    »Die sind gar nicht mal so übel«, sagt er mit vollem Mund. »Eigentlich sogar sehr gut.«
    »Was hast du denn erwartet? Im Grunde sind es Schoko-Chips-Cookies mit gemahlenen Kneipen-Snacks. Wenn du mich fragst, werden vor allem die Engländer Feuer und Flamme sein.«
    »Was bist du doch für ein kluges Mädchen.« James schiebt mir einen Keks in den Mund.
    »Wie immer habe ich mich in deiner Gesellschaft sehr wohlgefühlt«, sagt James später und gibt mir einen Abschiedskuss.
    Wieder diese »Gesellschaft«. Warum nicht »Es war schön mit dir«? Als könnte man mich und meine »Gesellschaft« voneinander trennen.

Meine Großmutter hat eine Nachricht auf meiner Mailbox hinterlassen.
    »Hallo? Hallo? Wer ist da? Evie, da ist niemand. Ich habe eine Stimme gehört, aber jetzt ist sie weg. Hallo? – Sophie? – Sophie? Ich bin es, deine Großmutter.«
    Dann ist Evies Stimme zu hören. »Sophie? Hier spricht Evie. Es ist Montagmittag. Deine Großmutter bittet dich, sie in dieser Woche abends einmal zu besuchen. Bis dann.«
    Sofort plagt mich mein Gewissen. Seit drei Wochen habe ich meine Großmutter nicht mehr besucht. An den Wochenenden war ich mit James zusammen und auch sonst habe ich mich entweder mit ihm oder mit meinen Freunden getroffen.
    Wenn man verliebt ist, sind drei Wochen wie ein Tag, aber für einen einsamen Menschen sind sie eine sehr lange Zeit.
    Eilig backe ich einen Zitronenkuchen. Als er fertig ist, hole ich ihn so hastig aus dem Ofen, dass ich mich an dem heißen Blech verbrenne, genau an der zarten Stelle meines Unterarms, die nicht mehr von dem Ofenhandschuh geschützt wird. Es ist nur ein schmaler Streifen, aber er tut höllisch weh. Ich halte den Arm unter kaltes Wasser, bis ich es nicht mehr ertragen kann, schlage den warmen Kuchen in ein frisches Küchentuch ein und laufe aus dem Haus.
    Evie öffnet mir die Tür. Sie trägt einen der Glockenhüte meiner Großmutter und ein Kostüm in der Mode der 1940er-Jahre. Der Rock ist zu lang, aber die Jacke sitzt wie angegossen.
    »Entschuldige mein Aussehen«, begrüßt sie mich. »Deine Großmutter möchte, dass ich ihre Kleidung anprobiere und entweder selbst behalte oder an gute Menschen weitergebe.« Evie hebt die Hände und zuckt mit den Schultern. Es ist eine typisch jüdische Geste, die sie von meiner Großmutter übernommen hat.
    Wir gehen ins Wohnzimmer. »Es ist mir ein bisschen zu groß, Mrs Klein«, sagt Evie. Erschrocken betrachte ich meine Großmutter, die in ihrem Sessel zusammengesunken ist. Ihre Augen sind geschlossen, die Beine wirken seltsam verdreht.
    Ich stürze auf sie zu und berühre ihren Arm. »Großmutter?«
    Sie ist tot.
    »Teddy?«, fragt sie und richtet sich blinzelnd auf. »Nein, nicht das gute Porzellan.«
    Doch nicht tot.
    »Sophie? Bist du das?« Sie streckt ihre Hand nach meinem Gesicht aus. Die Venen, Sehnen und Knochen ihrer runzligen Hand treten so deutlich hervor wie bei einem anatomischen Modell. Aber die Fingernägel sind wie immer tadellos lackiert.
    »Ja, ich bin es. Ich habe dir einen

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