Süße Teilchen: Roman (German Edition)
später sitzen James und ich in meinem Wohnzimmer auf dem Fußboden. Ich habe meinen Laptop auf dem Schoß.
»Schau, das El Bulli ist in Rosas.« Ich habe die Landkarte von Spanien aufgerufen und deute auf den Ort. »Wir fliegen nach Barcelona.«
»Es liegt nahe der französischen Grenze. Wir könnten auch nach Perpignan fliegen.« James nimmt mir den Laptop ab. »Bonder Junior hat dort in der Nähe ein Häuschen, wir könnten für ein paar Tage im Languedoc bleiben, den guten Wein trinken, Käse essen und so.« Er tätschelt seinen Bauch.
»Gute Idee.« Ich stehe auf. Aber dann beuge ich mich noch mal zu ihm hinunter und gebe ihm einen Kuss.
»Wohin willst du?« James hält meinen Arm fest.
»Ich hole mir ein Glas Wasser. Möchtest du auch eins?« Er nickt. Als ich in der Küche bin, klingelt es an der Wohnungstür.
Draußen steht meine Nachbarin Amber.
Mist, was will die denn hier? Aber wahrscheinlich hat sie uns nach Hause kommen gehört und beschlossen, rasch mal zu checken, ob James vielleicht einen seiner betuchten Freunde mitgebracht hat.
Sie trägt schon wieder winzige Shorts, Hüft-Shorts, falls man sie so nennen kann, denn sie bedecken gerade mal ihre Scham. Und einen roten BH, ja, einen BH, kein Bustier. Das lange gewellte Haar hat sie lose aufgetürmt, also, wenn ich es richtig bedenke, sieht sie aus, als wolle sie gleich los, Richtung Ägäis, zu der Jacht, die dort liegt. Und wie sie riecht. Eine Boutique in Primrose Hill ist nichts dagegen.
Ich höre James im Bad rumoren und bete, dass er nicht herauskommt. Amber mag ja dämlich sein – sie glaubt, Pakistan wäre die Hauptstadt von Indien, insgeheim nenne ich sie Miss Einzeller –, aber ihre Figur ist beneidenswert und könnte James gefallen.
»Hast du in der Küche Wasser?«, fragt sie. »Ich nicht.«
»Ich schon.«
»Ach.«
»Ruf den Hausmeister an.«
»Er meldet sich nicht. Ist dein Freund da?«
»Ja.«
»Kann ich bei dir meine Evian-Flasche auffüllen? Wenn ich Pilates mache, kann ich kein Sprudelwasser trinken, das bläht so. – Oh, hallöchen.« Mist, Mist, Mist.
»Hallo. Ich bin James. Sie müssen die berühmte Miss Einzeller sein.«
Entsetzt schaue ich ihn an.
»Ich?« Amber ist sichtlich verwirrt. »Nein, ich heiße Amber. Wer ist Miss Einzeller?«
»Eine Kollegin von mir bei Fletchers «, sage ich rasch, mit hochrotem Kopf. »James muss da was verwechselt haben. James, das ist Amber, meine Nachbarin. Sie hat in ihrer Wohnung kein Wasser. Wärst du so nett, ihre Flasche in der Küche aufzufüllen?«
»Ich komme mit«, erklärt Amber und tänzelt James in ihrer Unterwäsche hinterher. »Ich habe gerade Pilates gemacht«, zwitschert sie. »Nach einer DVD. Da wird jeder Teil des Körpers trainiert, wirklich jeder, und alles wird ganz fest.«
James geht nicht darauf ein, dass muss ich ihm zugutehalten, aber als er sich umdreht und ihr die volle Wasserflasche reicht, wandert sein Blick doch über ihren Körper. Für mich ist es wie ein Tritt in den Magen, aber wahrscheinlich reagiere ich überempfindlich, denn welcher Mann würde da schon wegschauen?
Amber dreht sich zu mir um. »Wenn du magst, kann ich dir ein paar Übungen zum Abnehmen zeigen.«
Warum nicht? Als erste Übung könnte ich dich die Treppe hinunterwerfen, wie wäre das? »Nein, danke.«
»Warte, ich führe es mal kurz vor.«
Und schon liegt sie auf dem Läufer im Flur, zieht die Knie an und reckt uns ihren Unterleib entgegen. »So, und dann bis hundert zählen. Aber man muss gleichmäßig atmen, das ist wichtig.« Ich höre, wie sie gleichmäßig atmet. James starrt auf ihren Unterleib.
Im Grunde hat Amber den Körper eines kleinen Jungen, nur dass sie keinen Penis hat, dafür aber Brustimplantate.
»James, könntest du in der Küche schon mal das Nudelwasser aufsetzen?« Ich schiebe ihn mit beiden Händen in die Küche, schließe die Tür und wende mich Amber zu. »Das reicht jetzt, Amber, vielen Dank.« Amber schmollt und legt sich flach auf den Boden. Ich kann förmlich sehen, wie sich die Rädchen in ihrem Gehirn drehen. Scheiße, wird sie denken. Wie schaffe ich es wieder in die Küche? Wie komme ich an diesen Typ und seine Freunde? Und wieso hat sie einen tolleren Freund als ich, ich bin doch viel dünner als sie? Zu guter Letzt steht sie in einer einzigen fließenden Bewegung auf.
»Warum kommt ihr nicht mal zu mir zum Essen?«, fragt sie laut und vernehmlich. »Ich habe ein wundervolles Tofu-Rezept. Das hat mir meine Teint-Beraterin gegeben,
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