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Süße Teilchen: Roman (German Edition)

Süße Teilchen: Roman (German Edition)

Titel: Süße Teilchen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Newman
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fotografieren. Außerdem geht es hier nicht um Noushkas Gesicht, sondern um ihren Körper. Nicht umsonst trägt sie den Beinamen »Beine«, denn die sind absolut makellos. Ein genetischer Glücksfall. Lang, endlos lang, wohlgeformt, ohne ein Gramm Fett und doch nicht zu muskulös. Unten münden sie in grazile Fußgelenke und oben in einen knackigen Po. Es ist ein Po, den man auf den Werbefotos für Produkte gegen Zellulitis sieht und von dem man denkt, dass er wahrscheinlich einem achtjährigen Jungen gehört.
    Noushkas Foto ist vermutlich retuschiert worden, denn das sind solche Fotos heutzutage immer. Wie gebannt starrt James auf die Leinwand, während zwischen Noushkas Knien nacheinander die Buchstaben von L’Estime hervorgeschwebt kommen, sich um ihre Oberschenkel nach oben schlängeln und zu dem ganzen Namen werden, der auf ihren Brüsten verharrt.
    »Wer hat sich denn diese Werbung ausgedacht?«, flüstere ich James ins Ohr. »Das T sah aus, als würde es in ihrem Hintern stecken bleiben.«
    James wirkt gequält.
    »Was hast du gesagt?«
    »Dass sie tolle Beine hat.« Ich lächele beruhigend. Aber James sieht aus, als bräuchte er eine Magentablette.
    Der Fotograf, ein Mann namens Seyon, betritt die Bühne und schwadroniert fünf Minuten lang darüber, was für ein Privileg diese Arbeit für ihn war. Ich gebe ihm recht. Am Tag zwanzigtausend Pfund zu verdienen, ist tatsächlich ein Privileg. Dann kündigt er Noushka an. Als sie auf der Bühne erscheint, gibt es stehende Ovationen, an der sich jedoch nur die Männer im Publikum beteiligen.
    Sie ist dünner als auf dem Foto, aber das sind Models immer. Und die scharfen Konturen ihres Gesichts, die auf den Fotos eindrucksvoll wirken, sind in natura eher abstoßend. Ihr Kinn sieht aus, als wäre ihr dort ein Baguette stecken geblieben.
    Sie winkt dem Publikum geziert zu, als wäre sie gerade zur schönsten Frau der Welt gekürt worden. Man sieht, wie sich die Ellbogenknochen an ihrem dünnen Arm bewegen.
    James starrt Noushka an. So hat er mich noch nie angesehen. Diesen Blick kenne ich an ihm nur, wenn er in seinem Wagen mit hundertachtzig über die Autobahn rast.
    Seyon zeigt jetzt einen Film, den er in Kapstadt hinter den Kulissen gedreht hat. Man sieht ihn am Strand. Er spricht über die Herausforderung, bei dreißig Grad Strumpfhosen von siebzig Denier zu tragen und zu fotografieren. Was für eine Leistung. Dagegen kommt ein Minensucher in Afghanistan nicht an.
    Dann kommt Noushka ins Bild. Sie sitzt auf einer Jacht. Ihr langes, kräuselfreies Haar weht in der Brise. Sie hält ein rattenartiges Schoßhündchen im Arm und winkt mit einer Hundepfote in die Kamera. »Mona-Coco«, gurrt sie. »Sag allen hallo.« Dann küsst sie den Hund auf die Schnauze.
    Ich schaue James an und verdrehe die Augen. »Mona-Coco?«
    »Für Monaco und Coco Chanel«, faucht er. »Sei jetzt still.«
    »Wie ich mich selbst beschreiben würde?«, fragt Noushka sich auf der Leinwand verwundert. »Ich liebe Schmuck. Und High Heels. Und natürlich Strumpfhosen. Ich bin eine sinnliche Russin.« Jedes S ein Zischen, es klingt, als würde Gas entweichen. »Als kleines Mädchen hatte ich den Traum, eines Tages die russische Cinder Cror-ford zu werden.«
    »Wow«, flüstere ich. »Sie erinnert mich an Martin Luther King.« Ich wünschte, Laura wäre bei mir und würde diesen Kokolores miterleben.
    James dreht sich zu mir um und sieht mich entnervt an. »Warum musst du so biestig sein?«
    »Ich bitte dich. Ich liebe Schmuck und High Heels. Das ist eine Einkaufsliste und nicht die Beschreibung eines Menschen.«
    »Noushka ist ein ganz süßes Mädchen. Du bist ja nur neidisch.«
    Ein netter Freund hätte über meine Worte gelacht oder gesagt, ich sei tausendmal schöner als Noushka, auch wenn wir beide gewusst hätten, dass er lügt. Bei McNally’s in New York saß ich mit Nick einmal am Nachbartisch der wahren Cindy Crawford. Nick streifte sie lediglich mit dem Blick, und das auch nur, weil an ihrer Seite der Bassist einer seiner Lieblingsbands saß. Selbst als ich flüsterte, dass sie noch besser aussehe als auf Fotos, zuckte Nick nur mit den Schultern und flüsterte: »Mir wäre sie zu dünn.«
    Nick fehlt mir.
    »Außerdem ist sie sehr klug und ausgesprochen ehrgeizig«, fährt James fort. »In Osteuropa ist sie dabei, eine eigene Marke für Fußnagellack einzuführen.«
    »Was? Nur für Fußnägel? Was ist denn mit den Fingernägeln?«
    »Fußnägel brauchen einen dickeren Lack – oder

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