Suesse Versuchung
deinen
Aufenthalt. Er schüttelte mitleidig den Kopf. Puh. Wenn er das tut, sitzt du aber
ganz schön in der Tinte.
Sophie fand, dass sie jetzt schon bis zum Hals darin saß. Du reist doch nicht
wirklich schon morgen ab?! Ihre Augen waren groß und ängstlich.
Malcolm schnaubte. Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich auch nur eine Minute
länger bleibe als nötig?
Ich wünschte, du würdest ganz hier bleiben. Oder wenigstens noch eine Woche.
Sophies Stimme klang belegt. Kein Wunder, denn ihre Kehle war wie zugeschnürt,
und Tränen brannten in ihren Augen.
Ihr Bruder trat einen Schritt zurück. Fang jetzt bloß nicht an zu flennen, Sophie. Du
weißt, das vertrage ich gar nicht.
Sophies Mund zuckte. Aber
ich glaube, ich fürchte mich vor dieser Frau. So hat
mich noch nie jemand behandelt. So kalt und so gemein. Als wäre ich
ein Nichts
Malcolm richtete sich auf und fasste Sophie fest an den Oberarmen. Sophie, du bist
kein Nichts! Du bist eine McIntosh. Vergiss das nie! Noch kein McIntosh hat vor den
Sassenachs gekniffen. Alle unsere Vorväter sind tapfer im Kampf gestorben!
Du kneifst doch auch, erwiderte Sophie aufmüpfig. Und sei nicht so dumm,
Malcolm, wenn alle unsere Vorväter im Kampf gestorben wären, gäbe es uns vielleicht
gar nicht. Außerdem weiß ich, dass Vaters Vater einundachtzig wurde und unser
Urgroßvater weit über siebzig. Sie seufzte. Ich wollte, du könntest bei mir bleiben,
dann hätte ich keine Angst.
Das würde ich vielleicht sogar tun, meinte ihr Bruder, die heroische Pose
aufgebend, aber du weißt doch, was Vater befohlen hat: ich muss sofort
heimkommen. Auch Jackson hat die entsprechende Order, die Kutsche
zurückzubringen. Und wenn ich nicht dabei bin, wenn er heimkehrt
Malcolm
sprach es nicht aus, aber Sophie wusste, dass es Momente gab, in denen man den
strikten Anweisungen ihres Vaters gehorchen sollte. Zumindest seine Söhne. Sophie
hatte es immer wieder geschafft, sich rauszuwinden jedenfalls bis zu ihrer
Verbannung.
Und ich könnte gar nicht hierbleiben, fuhr ihr Bruder fort. Vater hat mir gerade
genug Geld für die Reise mitgegeben. Und er hat seinen Notar angewiesen, nur für
deine Kosten aufzukommen. Du kriegst ja auch kein Bares auf die Hand, sondern
musst alle Rechnungen an diesen Mr. Bains schicken, der sie dann begleicht. Die
Kanzlei Bains & Bains war Robert McIntosh von seinem Notar als zuverlässig und
seriös empfohlen worden. Sophie erhielt zwar in jedem Monat ein wenig Taschengeld
von ihnen ausbezahlt, und es war ihr, als sie von daheim abgefahren war, auch viel
vorgekommen. Aber auf dem Weg hierher hatte sie begriffen, dass die Summe gerade
nur für ganz kleine Ausgaben reichte. Zu wenig jedenfalls, um Malcolm ebenfalls
davon finanziell zu unterstützen.
Malcolm tätschelte Sophies Arme. Hab übrigens schon den Vetter kennengelernt, als
er vorhin aus dem Haus geschlichen kam, damit seine Mutter ihn nicht sieht.
Malcolm grinste. Der scheint recht in Ordnung zu sein. Gar nicht von der spießigen
Sorte und so, sondern ganz nett.
Das wäre schön, sagte Sophie mit ein wenig Hoffnung. Im Grunde hatte sie sich
mit ihren Brüdern und den Jungen der Pächter, ganz abgesehen von Patrick natürlich,
immer besser verstanden als mit den Mädchen. Ihre Schwester war fünf Jahre jünger,
die Töchter der Nachbarn und Pächter entweder ebenfalls jünger oder viel älter wie
Patricks Schwestern oder zu schüchtern, um sich mit der Tochter des Burgherrn
anzufreunden. Ein unternehmungslustiger Vetter, der nicht an ihr herumnörgelte,
sondern sie und Rosalind auf ihre Ausritte begleitete, käme da gerade recht. Die
Cousine war so wie Tante Elisabeth sie ihr geschildert hatte wohl eher kein Trost.
Sophie, ihr Bruder klopfte ihr teilnahmsvoll auf den Arm, du schaffst das. Du
stehst diese sechs Monate durch, und dann kommst du heim. Ich werde dich abholen,
das verspreche ich dir.
Einhundertdreiundachtzig Tage, seufzte Sophie. Sie hatte auf der Reise hierher
genügend Zeit gehabt, Berechnungen anzustellen. Und wie ihr Vater sie hatte wissen
lassen war die Zeit, die sie für die Reise benötigte, nicht in die sechs Strafmonate
inkludiert. Sophie hatte also keinen Grund gehabt, die Anfahrt auf mehrere Monate
hinauszuzögern.
Und morgen sind es nur noch einhundertzweiundachtzig, tröstete sie ihr Bruder.
Du wirst
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