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Suesse Versuchung

Suesse Versuchung

Titel: Suesse Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mona Vera
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wieder hinunter und nahm den Weg links an der Hausmauer entlang
    zur Westseite des Gebäudes. Die Fenster im Erdgeschoss waren alle von innen
    verriegelt. Hier konnte man nicht ins Haus gelangen. Sophie ging weiter, bog um die
    Ecke und schritt abermals an der Hausmauer entlang. Sie hatte immer wieder versucht,
    durch die Kellerfenster zu spähen, aber es war drinnen so dunkel, dass kaum etwas zu
    erkennen war. Zudem waren die Scheiben halb blind vor Schmutz.
    Das Haus war tatsächlich recht groß. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und
    versuchte einen Blick durch die Fenster ins Innere zu werfen, sah aber bestenfalls
    einen Teil der Deckenmalereien. Ihre Mutter hatte ihr von einer Bibliothek erzählt,
    einem Speisezimmer und einem Salon. Oben waren die Räume für die Familie und
    ganz oben die Zimmer für die Dienstboten. Rechts vom Eingang sollte sich der
    Ballsaal befinden, in dem ihre Mutter Robert McIntosh kennengelernt hatte.
    Sophie ging neugierig weiter, bis sie den Hintereingang erreicht hatte. Er lag ein
    wenig tiefer als die Fenster des Erdgeschosses; vermutlich führte er in den Keller, und
    von dort gelangte man durch eine Treppe hinauf in die anderen Räume. Tante
    Elisabeths Haus war ähnlich angelegt. Sie rüttelte am Türknauf. Nichts.
    Endlich hatte sie wieder die Vorderseite des Hauses erreicht und trat zu Rosalind, die
    ihr zur Begrüßung ins Gesicht schnaubte. „Alles versperrt“, klagte Sophie enttäuscht.
    Vielleicht war es doch klüger, den Schlüssel zu suchen und dann wieder
    herzukommen. Sie wandte sich nochmals um, suchte ein letztes Mal die Fassade mit

    den Augen ab, und da entdeckte sie plötzlich links neben dem Eingang ein
    Kellerfenster, das einen Spalt offen stand. Das war ihr ja völlig entgangen!
    Gut, dass ihr Bruder ein Paar seiner Hosen hier gelassen hatte. Nicht ganz freiwillig –
    sie hatte sie ihm kurz vor seiner Abreise aus seiner Reisetasche gestohlen, gleich
    nachdem Tante Elisabeth ihr den schönen weiten schottischen Reitrock weggenommen
    hatte. Alle ihre anderen Kleider waren zu eng geschnitten, die Stoffe zu weich, und
    eigneten sich nicht dazu, im Sattel zu sitzen. Sie wären entweder gerissen, oder hätten
    Sophies Beine bis zur Hüfte hinauf freigegeben.
    Dazu kam noch die derbe Jacke, die sie selbst heimlich von daheim mitgeschmuggelt
    hatte, dann Stiefel, ein Hemd – ebenfalls von Malcolm entwendet – und schon sah sie
    mit dem unter einer Kappe versteckten Haar aus wie ein Bursche.
    Ihre Verkleidung war zwar nur oberflächlich, einem prüfenden Blick hätte der Junge
    nicht standgehalten, aber das machte nichts. Es ging ihr ja nicht darum, als Mann
    verkleidet durch die Gegend zu streunen, sondern bequem im Sattel zu sitzen. Und
    jetzt kamen die Hosen besonders hilfreich zur Geltung, auch wenn sie beim Bücken
    über dem verlängerten Rücken spannten. Aber in einem Rock hätte sie sich niemals
    durch ein Kellerfenster zwängen können.
    „Wirklich schade, dass Malcolm nicht mehr hier ist“, sagte sie zu Rosalind. Er hätte
    es, im Gegensatz zu Henry, nicht abgelehnt, mit ihr in diesem Haus zu stöbern. Und
    noch mehr bedauerte sie, dass Patrick nicht bei ihr sein konnte. Wie hervorragend
    hätte sie jetzt einen Gleichgesinnten brauchen können, und wie viel Spaß hätten sie
    miteinander gehabt! Vetter Henry dagegen war ein Langweiler und – auch wenn
    Sophie dieses Wort nie ausgesprochen hätte, zumindest nicht in seiner Hörweite und
    der seiner Mutter – mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit sogar ein Hosenscheißer, der
    sich nicht mal die Fingernägel schmutzig machen wollte. Auch diesbezüglich hätten
    Patrick und sie übereingestimmt.
    Sie griff nach dem Sack, den sie am Sattel befestigt hatte. Hier drinnen hatte sie
    Zunder und einige Kerzen. Gut, dass sie vorgesorgt hatte!
    Wieder beim Kellerfenster angekommen, legte sie die Kerzen neben sich, beugte sich
    hinab, stieß das Fenster weit auf und lugte hinein. Ein paar Spinnweben, viel Staub.
    Das Bergwerk war auch nicht heimeliger gewesen, und sie hatte sich trotzdem
    hineingewagt. Hier würde sie zwar ganz bestimmt kein Gold finden, aber vielleicht
    Familienschätze wie alte Kleider, Möbel, Briefe, Bücher. Sophie fieberte richtig vor
    Aufregung und Unternehmungslust.
    Sie hockte sich auf alle viere und steckte den Kopf weiter durch das Fenster hinein.
    Es war zwar düster, aber zum Glück hell genug, dass sie sehen konnte, wohin sie
    klettern musste. Gleich unter ihr war bequemerweise ein Schrank.

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