Sueße Versuchung
Zuneigung jemals erwidert würde. So lange, bis er dann dankbar und mit Tränen in den Augen zu ihren Füßen sinken und heiß ihre Hand küssen würde, unfassbar glücklich, sie endlich die Seine nennen zu dürfen.
Sophie fand das mehr als dumm, auch wenn sie sich hütete, dies Augusta gegenüber laut werden zu lassen. Aber offenbar ging es hier um Spielregeln, die Sophie nicht begriff, weil sie so völlig verschieden von denen in Schottland waren. Dort fanden sich die Leute zusammen, verliebten sich, heirateten. Fertig. Gezierte Spiele hatten darin keinen Platz. Aber so waren sie eben die Engländer. Am besten, Sophie versuchte erst gar nicht, sie zu verstehen. Es zahlte sich ohnehin nicht aus. Nur noch fünf Monate und sie durfte heim, in eine Welt und eine Umgebung, in der man sagte, was man dachte.
Sie hatte inzwischen schon ein wenig begriffen, weshalb ihre Cousine so schlecht auf sie zu sprechen war, obwohl sie ihr niemals etwas getan hatte. Tante Elisabeth und Augusta schienen es als oberstes Ziel zu betrachten, Augusta baldigst in den Stand der Ehe eintreten zu sehen. Und da störte natürlich eine unverheiratete Cousine, die noch dazu um etliche Jahre jünger war.
Sophie hatte ohnehin nicht die geringste Absicht, Augusta bei irgendeinem dieser möglichen Heiratskandidaten, und schon gar nicht bei diesem Lord Edward, auszustechen. Dagegen dachte sie in den letzten Tagen immer wieder an diesen Menschen, der bei ihrem Haus über sie hergefallen war. Er war mehr als unverschämt gewesen, und sie bereute es gelegentlich, ihn nicht doch mit dem Pferd attackiert zu haben. Verdient hätte er es. Ob er aus Eastbourne stammte? Wohl kaum. Zweifellos gehörte er zu dieser Bande von Tunichtguten, die – wie Henry sagte – mit dem Prinzregenten aus London gekommen waren und nun in Brighton wohnten und die ganze Gegend unsicher machten. Ja, genauso hatte er sich benommen. Wie einer dieser verkommenen Wüstlinge, von denen man so viel hörte.
Auch am Abend des Balls, als sie vor dem Spiegel stand und noch ein wenig an ihrem neuen Kleid herumzupfte, dachte sie wieder an ihn. Er hatte sie zwar zuerst für einen Jungen gehalten, aber der eindringliche Blick, mit dem er sie angesehen hatte, ging ihr nicht aus dem Sinn. Auch nicht dieses sinnlich-spöttische Lächeln, das ihr jetzt noch Schauer über den Rücken jagte. Ob er sie in diesem Kleid anders behandeln, sie vielleicht sogar bewundern würde? Auf jeden Fall würde er ihr in diesem Traum aus Tüll und Seide mit wesentlich mehr Respekt begegnen als in den Hosen. Sie sah darin tatsächlich wie eine Dame aus, und wenn sie sich auch so benahm, kam niemand auf die Idee, sie auch nur herablassend zu betrachten, geschweige denn so unverschämt zu behandeln.
Die Schneiderin hatte Sophie zu einem leicht geschnürten Korsett geraten, wie es jetzt auch wieder in Paris in Mode kam, und ihre ohnehin schon schmale Taille noch betonte. Das Oberteil war fast völlig schulterfrei, lediglich kleine Puffärmelchen bauschten sich anmutig an den Oberarmen, und ihre Unterarme waren bis zu den Ellbogen von geknöpften Seidenhandschuhen bedeckt. Das Mieder schmiegte sich an Sophies Körper; es war ein wenig ausgeschnitten, aber nicht so tief, dass es Sophie in Verlegenheit versetzt hätte, sondern nur gerade die vom Korsett hochgedrückten vollen Hügel andeutete.
Am besten gefiel Sophie der Rock aus mit bunten Blümchen besticktem Tüll, der bei jeder Bewegung raschelte und die hellblauen Seidenunterröcke durchblitzen ließ. Er reichte bis zu den Knöcheln, sodass die in zierlichen Schuhen steckenden Füße frei blieben. Unten am Saum befand sich eine Spitzenborte in derselben Farbe der Blümchen, und die Ärmel waren ebenfalls mit Spitze abgeschlossen.
Tante Elisabeths Zofe hatte sie frisiert und ihr Haar hochgesteckt. Und nun sah Sophie bewundernd auf die reichen und doch geordneten Löckchen, die ihr nur links und rechts ein wenig in die Stirn und die Schläfen fielen und sonst mit unsichtbaren Klammern und einem Band aus Seidenblüten, die denen auf dem Rock ähnlich waren, gehalten wurden.
Sophie fand, dass sie umwerfend aussah – und sich selbst kein bisschen ähnlich. Es war das erste Fest, bei dem Sophie sich angemessen gekleidet fühlte. An diesem Abend würde sie nicht in der Ecke stehen und nur von älteren Herren aufgefordert werden, die Mitleid mit dem Mauerblümchen hatten. Und so würde Augusta dieses Mal auch keine Gelegenheit haben, sie vor allen Anwesenden zu
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