Sueße Versuchung
anderen zu alarmieren.
Sie konnte ihn vielleicht treten, wenn sie etwas Luft zwischen sich und ihm bekam.
Und dann? Wenn sie ihn mit dem Knie gut traf, so wie Patrick ihr dies einmal gezeigt hatte, war er wohl für einige Minuten außer Gefecht gesetzt. Und in dieser Zeit musste sie die Fesseln loswerden und flüchten. Aber wenn ihr das nicht gelang, und sie im Gegenteil die anderen auf sich aufmerksam machte, befand sie sich in einer noch schlimmeren Lage als jetzt. Die fanden schnell heraus, dass sie kein Junge war, und fielen dann alle gemeinsam über sie her.
Henry, der ihr ohnehin keine Hilfe gewesen wäre, war schon längst mit dem Wagen fort, und Captain Hendricks würde bestimmt keinen Finger für sie rühren, sondern dafür sorgen, dass sie für immer und ewig ihren Mund hielt. Sie erinnerte sich nur zu gut an seine Drohung Henry gegenüber. Nicht Henry lag dann mit dem Gesicht nach unten in der Brandung, sondern sie. Sie fröstelte. Und wenn Hendricks sie nicht umbringen ließ, dann dieser geheimnisvolle Schmuggleranführer. Nein, es gab nur eine Möglichkeit: Sie musste sich mit diesem Kerl hier arrangieren. Ihn überreden, sie laufen zu lassen.
Sie schloss sekundenlang die Augen, weil seine Lippen jetzt ihr Ohrläppchen erreicht hatten. Er begann doch tatsächlich daran zu knabbern! Die Berührung schien eine direkte Verbindung zu anderen Teilen ihres Körpers zu haben, und was sie erzittern ließ, war nicht nur Angst. »Ich habe Geld«, stieß sie hervor. »Und ich werde welches holen. Sie … Sie müssen mich nur losbinden.«
Das leise Lachen, so dicht an ihrem Ohr, ließ sie erbeben. »Das würde dir so passen.
Außerdem will ich kein Geld von dir, das sagte ich ja schon.«
»Sondern …?«
Seine Hand ließ von ihrem Hintern ab und glitt hinauf. Langsam und genussvoll über ihre Taille, weiter empor. Sophie hielt den Atem an. Was würde passieren, wenn er merkte, dass unter der Jacke ein Mädchen steckte? Aber seine Hand hielt sich nicht damit auf nach Frauenbrüsten zu suchen, sondern war schon bei ihrem Hals angelangt, packte mit festem Griff ihr Genick. Was hatte er mit ihr vor? Er hielt sie für einen Jungen und delektierte sich dennoch an ihr?
»Ich werde jetzt probieren, ob deine Lippen ebenso weich sind wie deine Wangen, Bürschlein«, flüsterte die dunkle Stimme. »Und du wirst stillhalten.«
»Ich werde nicht stillhalten«, empörte sich Sophie mit unterdrückter Heftigkeit. »Was fällt Ihnen ein!«
»Ruhig.« Jetzt klang die Stimme scharf. »Du hast die Wahl. Entweder du stellst mich jetzt zufrieden, oder ich rufe die anderen. Also?«
»Gut.« Sophie quetschte dieses eine Wort nach kurzer Überlegung verdrießlich heraus. »Aber dann schnell.«
Ein leises Lachen antwortete ihr. »Du hast wirklich Mut, Kleiner. Aber du bist vermutlich auch ein wenig verrückt, nicht?« Bevor Sophie noch etwas entgegnen konnte, lag sein Mund auch schon auf ihrem.
Sie kniff die Augen zu. Die fremden Lippen pressten sich jedoch nicht wild auf ihre, wie sie das erwartet hatte, sondern fuhren zart darüber, schienen deren Weichheit austesten zu wollen. Sie senkte das Kinn, er kam ihr nach, aber als sie den Kopf drehte, wurde er ungeduldig.
»So nicht. Wir haben ein Abkommen. Du zahlst dafür, dass ich dich danach laufen lasse. Und jetzt heb den Kopf. Los.«
Sophie zitterte vor Angst, vor Zorn und vor … einem Gefühl, das sie nicht benennen konnte. Aber dann hob sie den Kopf und hielt ihm ihr Gesicht entgegen.
»Öffne den Mund ein wenig.« Er sprach direkt an ihren Lippen.
Sophie gehorchte nach einigem Zögern.
»So ist es brav.« Genießerisch fuhr sein Mund über ihre zitternden Lippen, wanderte von einem Mundwinkel zum anderen, kam über ihre Oberlippe zurück, um sich ihrer Unterlippe zuzuwenden. Als er tatsächlich mit den Lippen daran zu knabbern begann, gab Sophie ein kleines Geräusch von sich, aus Abwehr vor etwas, das nicht so unangenehm war, wie sie erwartet hatte. Die fremden Lippen zogen ihre Unterlippe ein wenig vor, zwischen seine Zähne, hielten sie fest, als – Sophie erstarrte – seine Zunge darüberglitt.
Endlich ließ er ihre Unterlippe los. Sophie dachte schon, er hätte genug, aber dann erkannte sie, dass er bisher nur mit ihr gespielt hatte. Denn was jetzt kam, raubte ihr den Atem. Und das wortwörtlich.
Sein Mund presste sich so heftig auf ihren, dass sie seine Zähne spüren konnte. Es war, als wollte er ihre Lippen auseinanderdrücken. Sophie kämpfte dagegen an,
Weitere Kostenlose Bücher