Sueße Versuchung
ihre Neugier und Unvorsichtigkeit in eine Lage gebracht hatte, die noch weitaus schlimmer hätte enden können. Das zumindest sagte ihr Verstand. Ihr Gefühl gab jedoch Henry die Schuld daran. Henry, der so dämlich war, sich von Schmugglern erpressen zu lassen.
Henry, viel zu gutmütig um sich zu wehren, und vor allem zu entsetzt, seine Cousine in Hosen zu sehen, ließ sich mitschleppen. Erst als Sophie die Tür zu ihrem Zimmer leise, aber nachdrücklich schloss, wurde er gesprächig.
»Bei allen Heiligen, Sophie! Mit Hosen?!«
»Bei allen Heiligen, Henry!«, fuhr sie ihn an. »Mit Schmugglern?!«
Henrys Gesicht hätte einem Bildnis des Unheiligen Saulus Ehre gemacht, als dieser vom Engel mit seinen Schandtaten konfrontiert wurde.
»Bist du verrückt geworden, dich mit solchen Leuten einzulassen?«, setzte Sophie energisch fort.
»Woher …?« Henry wankte. Er war so blass geworden, dass Sophie ihn zum Bett schob und ihn darauf niederdrückte, bevor seine Knie nachgeben konnten.
»Ich habe euch gehört. Captain Hendricks und dich. Gestern im Obstgarten. Deshalb also wolltest du nicht, dass ich das Haus betrete! Weil deine Schmugglerbande dort Unterschlupf gefunden hat! Schämst du dich gar nicht?«
Henry verfiel zusehends, brachte jedoch kein Wort hervor. Seine Lippen artikulierten lautlos das Wort »Obstgarten«.
»Und heute Nacht«, trumpfte Sophie auf, »bin ich dir nachgeritten!«
»Du hast …« Henry war fassungslos. »Du bist …« Seine sonst so sorgfältig frisierten Haare, die er »Windstoßfrisur« nannte, hingen ihm über die Ohren und in die Stirn.
Sein Mund war etwas geöffnet, die Augen waren weit aufgerissen.
»Ich weiß alles! Ich habe gesehen, wie du mit einem Wagen Schmuggelware transportiert hast! Deshalb hast du nicht gleich den Hausschlüssel gefunden! Du wolltest ihn mir nicht geben! Das nennst du also nach dem Rechten sehen? Und ich habe mich auch noch bei dir bedankt! Du bist wahnsinnig, Henry. Du musst dich raushalten!«
»Das … geht nicht.« Er schüttelte verzweifelt den Kopf, griff sich in den Kragen, zog mit der anderen Hand ein Taschentuch hervor, mit dem er sich die Stirn abtupfte. »Sie haben mich in der Hand, verstehst du nicht?«
»
Sie
sind wohl Jonathan Hendricks«, stellte Sophie fest. »Er gehört zu den Schmugglern, ist aber nicht deren Anführer, oder?«
»Hm.« Henry wollte verzweifelt den Kopf in die Hände stützen, aber Sophie packte ihn an den Jackenaufschlägen. »Er erpresst dich. Womit?« Henrys Zähne klapperten aufeinander, als sie ihn kräftig schüttelte. Sie hatte von Kindheit an herumgetobt und hatte nichts von den verzärtelten englischen Frauen, die hier durch die Gegend trippelten und kaum ein Taschentuch halten konnten.
»L … lass dd … das! Was fällt dir ein?« Er machte sich energisch frei. »Die Jacke ist von Weston.«
»Und wenn sie aus Osten wäre, das ist mir egal«, zischte Sophie.
»Weston ist einer der besten Londoner Schneider und keine Himmelsrichtung«, wurde sie von ihrem Vetter angeblafft, der vor Empörung kurzfristig seine Angst verloren hatte. »Herrgott noch mal! Von dem musst sogar du gehört haben! Wo hast du gelebt? In einer Höhle?«
Er zuckte zurück, als er Sophies blitzende Augen knapp vor seinen sah. »Werde bloß nicht frech«, zischte sie ihn an. »An deiner Stelle würde ich jetzt mit der Sprache rausrücken, sonst gibt's Maulschellen! Also: womit erpressen sie dich?«
Henrys Gesicht nahm den Ausdruck eines trotzigen Jungen an. »Spielschulden«, quetschte er endlich hervor.
»Bei wem? Bei Jonathan Hendricks?« Sophie verstand nicht, wie jemand wie Henry überhaupt auf die Idee kommen konnte, zu spielen. Sie hatte ihn bei den Whistabenden ihrer Tante beobachtet. Er spielt nur marginal besser als Augusta und hatte ebenfalls fast immer verloren. Und sie bezweifelte, dass ihr Vetter bei einem so harmlosen Spiel Schulden gemacht hatte.
»Nein, bei anderen.«
»Wie viel?«
Henry drückte herum. »F … Fünfhundert Pfund.«
Sophie stieß heftig den Atem aus. »Mit fünfhundert Pfund kann eine ganze Familie sehr lange Zeit leben!«
Henry wirkte überrascht. »Wirklich?«
Sophie verdrehte die Augen. Sie und ihre Geschwister waren von ihren Eltern niemals zur Verschwendung angeregt worden. Ihr Bruder Malcolm hatte einmal Spielschulden gemacht, allerdings hatte es sich dabei um fünfzig Pfund gehandelt.
Eine Summe, mit der einer ihrer Pächter tatsächlich ein Jahr lang seine Familie ernährte. Als
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