Süße Worte, heißes Flüstern
in Erfahrung gebracht. Wusstest du beispielsweise, dass Charlie Thomas’ Lieferwagen noch nach zehn Uhr abends auf der Grundstückseinfahrt von Mavis Goldbloom gesehen wurde?”
Hannah verzog das Gesicht. “Na und? Charlie ist Klempner. Wahrscheinlich war bei Mavis ein Abflussrohr verstopft.”
Seth grinste breit. “So was Ähnliches meinte Perry Rellas auch. Er sagte etwas von ‘Rohre verlegen’ …”
Sie warf ihm einen strafenden Blick zu. “Pfui, Seth Granger, du bist ein altes Klatschweib. Du solltest dich was schämen.”
Seth zuckte gleichmütig die Achseln, während er sich eine Peperoni vom Belag fischte und sie in den Mund steckte. “Dann brauche ich dir die Geschichte von Cindy Baker ja gar nicht erst zu erzählen.”
Es entging ihm nicht, dass für einen winzigen Moment Neugier in Hannahs blauen Augen aufblitzte. Aber sie beherrschte sich erstaunlich gut und antwortete: “Nein, das kannst du dir sparen. Cindy ist eine gute Bekannte von mir. In unserer Highschool-Zeit war sie Cheerleader.”
“Hm”, murmelte Seth und nahm das nächste Stück seiner Pizza in Angriff. “Die Pizza ist wirklich gut, findest du nicht?”
“Ausgezeichnet.”
“Und so ein schön knuspriger Rand.”
“Ja. Außerdem schmeckt man es, dass sie nur frische Zutaten nehmen.”
Eine Weile herrschte Schweigen, während jeder weiteraß. Dann legte Hannah das Stück beiseite, das sie gerade in der Hand hatte. “Willst du nun endlich anfangen zu erzählen oder nicht?”
“Was erzählen?”, fragte Seth mit Unschuldsmiene.
“Das über Cindy”, erklärte sie mit nun kaum verhohlener Ungeduld.
“Aber nicht doch – ich bin doch kein altes Klatschweib.”
“Ich hau dich, wenn du nicht sofort anfängst zu erzählen.”
Sein Grinsen wurde noch breiter. Er beugte sich vor und flüsterte: “Cindy fährt nach Dallas.”
Hannah machte ein enttäuschtes Gesicht. “Ist das alles?”
“Miss Cheerleader fährt hin, um sich ihre Pompons vergrößern zu lassen.”
“Oha! Das ist nicht schlecht. Das ist wirklich nicht schlecht. Woher weißt du das denn?”
“Von Billy Bishop.”
“Von Billy Bishop?” Sie sah ihn ungläubig an. “Du tratscht mit Billy Bishop herum? Vor ein paar Tagen wolltest du ihn noch erwürgen.”
“Ach was, Billy ist schon in Ordnung.” Und das fand Seth wirklich. Nach ihren anfänglichen Schwierigkeiten miteinander war der Mann ihm gar nicht mehr unangenehm. Seine jugendliche Unbekümmertheit und sein Engagement waren einfach wohltuend. “Wir haben ein Bier miteinander getrunken und eine Runde Pool-Billard gespielt. Leider musste ich ihm trotzdem sagen, dass ich ihm, wenn ich noch ein einziges weiteres Wort über mich in der Zeitung lese, beide Arme breche.”
“Na, da hattest du ja einen ausgefüllten Tag, stimmt’s?” Hannah streckte die Hand aus und wischte ihm einen Tropfen Tomatensoße aus dem Mundwinkel.
Seth hielt sie am Handgelenk fest, bevor sie die Hand wieder zurückziehen konnte.
“Entschuldige. Reine Angewohnheit. Das ist bei mir wegen der Mädchen so drin.”
“Ich hab nichts dagegen”, antwortete Seth und nahm ihren Zeigefinger, an dem die Soße klebte, in den Mund. Er sah das gewisse Funkeln in ihren Augen, als er mit der Zunge um ihre Fingerspitze herumfuhr, und fühlte an ihrem Handgelenk, dass sich ihr Puls beschleunigte.
“Dir ist klar, dass wir beide genauso Gegenstand des Tratsches in der Stadt sind wie Cindy und Mavis?”
“Völlig klar. Macht der Tratsch dir etwas aus, Hannah?”
“Ich kann damit umgehen. Ich wüsste auch nicht, wofür ich mich schämen müsste.”
Seth drehte ihre Hand um und biss ihr sanft in den Daumenballen. Den Schauer, der Hannah dabei durchfuhr, spürte er bis in die Fingerspitzen. “Geht mir ähnlich. Wie viel Zeit bleibt uns, bis die Mädchen zurückkommen?”
“Drei Stunden schätze ich.”
“Reicht uns das?”, fragte er.
“Ich glaube ja”, flüsterte Hannah, “wenigstens fürs Erste.”
Seth stand auf, ging um den Tisch herum und zog Hannah sanft von ihrem Stuhl hoch. Es folgte ein langer, glutvoller Kuss. Dann liefen sie rasch in Seths Zimmer und schlossen die Tür hinter sich.
10. KAPITEL
Seth war in seinem Leben schon den verschiedensten Widrigkeiten begegnet. Er hatte in die Mündungen von geladenen Revolvern gesehen. Er hatte mit der Unberechenbarkeit durchgeknallter Junkies fertig werden müssen; mit Schlachtermessern, die seinen Brustkorb, und Pistolenkugeln, die seinen Kopf nur knapp verfehlten.
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